welt.de, 07.05.2015

http://www.welt.de/politik/ausland/article140589298/PKK-will-kein-Ende-des-bewaffneten-Kampfes.html

PKK will kein Ende des bewaffneten Kampfes

Vor Kurzem forderte der PKK-Chef Öcalan ein Ende des bewaffneten Kampfes gegen die türkische Regierung. Doch jetzt verschlechtert sich die Stimmung zwischen AKP und kurdischen Bewegungen zunehmend.

Von Deniz Yücel

Der große Kongress, auf dem die Kurdische Arbeiterpartei (PKK) das Ende des bewaffneten Kampfes gegen die türkische Regierung beschließen wollte, ist auf unbestimmte Zeit verschoben. Dies sagte Bese Hozat, die Co-Sprecherin der "Union der Gemeinschaften Kurdistans" (KCK), eine Dachorganisation der PKK-Teilorganisationen. An der Spitze der KCK steht neben der Mittvierzigerin auch Cemil Bayik, ein alter Kampfgefährte von Abdullah Öcalan (Link: http://www.welt.de/themen/abdullah-oecalan/) aus den Gründungstagen der PKK (Link: http://www.welt.de/themen/pkk/) .

Der seit 1999 auf der Gefängnisinsel Imrali inhaftierte PKK-Führer Öcalan hatte Ende Februar seine Organisation dazu aufgefordert, ein Ende des Kampfes (Link: http://www.welt.de/138650651) einzuleiten, in dem seit 1984 40.000 Menschen ums Leben kamen. "Wir sind so nah wie nie zuvor an einem dauerhaften Frieden", schrieb Öcalan. "Unser wichtigstes Ziel ist es, zu einer demokratischen Lösung zu gelangen."

Im Frühjahr 2013 war am Ende der ersten offiziellen Gespräche, die jemals eine türkische Regierung mit der PKK-Guerilla geführt hat, ein Waffenstillstand vereinbart worden. Von der Gründung eines kurdischen Staates hat sich die PKK schon vor Jahren verabschiedet; sie fordert nun kulturelle Rechte und eine Autonomie der regionalen und lokalen Verwaltungen.

Zwei Jahre sind eine lange Zeit. Und genau das wirft die PKK nun der Regierung vor: "Seither sind keine konkreten Schritte eingeleitet worden", sagte Bese Hozat in der vom Fernsehsender Med Nuçe (Link: http://www.mednuce.tv/) ausgestrahlten Erklärung.

Der Sender mit Sitz in Dänemark gilt als Propagandasender der PKK und ist in der Türkei über Satellit zu empfangen. "Vergessen Sie die Verhandlungen, am Ende gab es nicht mal mehr einen Dialog." Der AKP und Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan warf Hozat vor, zur "alten Politik der Leugnung" zurückgekehrt zu sein: "Die AKP hat sich für den Krieg entschieden." Die AKP hat die absolute Mehrheit der Sitze im türkischen Parlament und ist somit die stärkste Fraktion.

Der stellvertretende Regierungschef Yalçın Akdogan wies diese Kritik zurück. Die notwendigen Verfassungsänderungen benötigten Zeit und die Zustimmung des Souveräns, sagte er am Mittwoch. "Ein Friedensprozess funktioniert nicht, wenn mit der Waffe in der Hand Befehle erteilt werden. Und ich bin nicht ein Beamter, der Anweisungen ausführt."

Der Tonfall zwischen den AKP und der kurdischen Bewegungen hatte sich in den letzten Wochen deutlich verschlechtert. So sorgte Erdogan (Link: http://www.welt.de/themen/recep-tayyip-erdogan/) mit seiner Aussage, dass es kein Kurdenproblem gäbe, sondern nur "Probleme kurdischer Bürger", für Unmut. Auch sonst ist er in diesen Tagen in der Öffentlichkeit sehr präsent. Offiziell eröffnet er hier eine Messe und dort ein Studentenwohnheim, aber tatsächlich spricht er über ganz andere Dinge.

Am liebsten redet er über die "Koalition der alten Türkei", die die Entwicklung des Landes zu verhindern versuche; also ein Bündnis aus der kemalistisch-sozialdemokratischen Republikanischen Volkspartei (CHP), ,,der separatistischen" PKK und der Bewegung des islamischen Predigers Fethullah Gülen, seinem ehemals engsten Verbündeten.

Wahl eines neuen Parlaments steht an

Wegen solcher Einlassungen hatte die prokurdische Demokratische Partei der Völker (HDP) Beschwerde bei der Wahlkommission eingereicht. Erdogan verstoße gegen das Wahlrecht und gegen das Neutralitätsgebot, das die türkische Verfassung dem Amt des Staatspräsidenten auferlege.

Der Beschwerde beigefügt war eine lange Liste von Zitaten – und eine detaillierte Aufzählung, wie viele staatliche und private Sender in welcher Länge die Erdogan-Reden ausgestrahlt haben, immer wieder auch mit Liveübertragungen. Diese Beschwerde wurde von der formal unabhängigen Wahlkommission nun zurückgewiesen – ohne Begründung, aber dafür einstimmig.

Am 7. Juni wählt die Türkei ein neues Parlament. An der Frage, ob die HDP die weltweit einzigartige Zehnprozenthürde überspringt, wird sich voraussichtlich entscheiden, ob es für eine alleinige Regierungsbildung der AKP reichen wird.