welt.de, 17.05.2015

http://www.welt.de/politik/ausland/article141029446/Das-US-Cover-Girl-der-Kurden-im-Kampf-gegen-IS.html

Samantha Johnston

Das US-Cover-Girl der Kurden im Kampf gegen IS

Lächeln, schießen, posten: Samantha Johnston kämpft an der Seite kurdischer Milizen gegen den Islamischen Staat. Ihre Erlebnisse teilt die Dreifach-Mutter aus den USA via Facebook mit Tausenden Fans. Von Inga Catharina Thomas

"Good morning, world!" Wenn Samantha Lois Jay Johnston ein Foto von sich auf Facebook postet (Link: https://www.facebook.com/profile.php?id=100009032229047) , gehen die Daumen im Sekundentakt hoch. Große, grüne Augen, lange, braune Haare, fröhliches Lächeln. Unbeschwertes Sonntagsgefühl.

Wäre da nicht die Tarnkleidung. Die Schutzweste. Das Gewehr. Die Amerikanerin geht nicht zum Sonntagsbrunch, sondern an die Front. Seit Mitte April kämpft die 25-Jährige an der Seite kurdischer Milizen (Link: http://www.welt.de/themen/kurden/) gegen den Islamischen Staat (IS) (Link: http://www.welt.de/themen/islamischer-staat/) .

"Ich habe mich entschieden zu kämpfen, weil ich das Gefühl hatte, dass es meine Pflicht sei", sagte Johnston dem Internetportal "Daily Caller" (Link: http://dailycaller.com/2015/05/01/samantha-jay-army-vet-mother-fights-isis/) .

Die Berichte über die Situation der Zivilbevölkerung in den umkämpften Gebieten in Syrien, im Irak und Iran hätten sie tief betroffen. Speziell die Bilder der Kinder ließen sie nicht los: "Diese Kinder haben kein Heim, keine Eltern mehr. Mütter und Schwester wurden vergewaltigt und verkauft, Väter getötet. Sie leiden, und ich wusste, dass ich nicht einfach rumsitzen und nichts tun könnte."

Ex-Soldatin und dreifache Mutter

Johnston ist kein naives Mädchen. Von 2008 bis 2011 diente sie als Geodaten-Ingenieurin in der US Army. Bis vor wenigen Wochen lebte sie als geschiedene Mutter im Küstenstädtchen Emerald Isle in North Carolina. Der fünf Jahre alte Junge und die drei Jahre alten Zwillinge sind nun bei Verwandten untergebracht.

"Es war keine einfache Entscheidung für mich", räumt Johnston ein. Aber: "Ich könnte meinen Kindern nicht in die Augen sehen und sagen, dass ich nichts getan habe, um zu helfen."

Über Monate informierte sich Johnston im Internet. Dort kam auch der Kontakt zu kurdischen Unterstützergruppen zustande. Es ist das gleiche Prinzip, wie der IS junge Frauen für die Sache der Dschihadisten anwirbt.

Bis zuletzt war sich Johnston nicht sicher, ob sie wirklich fliegen sollte: "Es war extrem hart. Ich weinte auf dem Weg zum Flughafen und hätte mich fast entschieden, nicht zu gehen. Aber hätte ich das getan, hätte ich mir es nie verziehen."

Immer online

Angekommen im Krisengebiet, gehört Johnston zu etwa 100 Kämpfern aus den USA und Großbritannien, die sich den Peschmerga-Einheiten angeschlossen haben. Ob sie tatsächlich an Kampfeinsätzen an der Front beteiligt ist oder hauptsächlich humanitäre Hilfe leistet, ist unklar. Genauso wie ihr Aufenthaltsort.

Nur eins scheint sicher: Es gibt Internet. Fast täglich postet die 25-Jährige Fotos von ihren Erlebnissen auf Facebook – die mehr an Abenteuerurlaub als an Kampfeinsatz erinnern.

"Ja, ich steche heraus", schreibt Samantha Johnston unter ein Foto, das sie mit Palästinensertuch um den Kopf und Gewehr in der Hand auf der Ladefläche eines Autos zeigt. "Hat jemand Sonnencreme? Meine kurdischen Mädchen sind alle so gewöhnt an die Sonne, aber ich ... ich bin ein Geist."

Auf einem anderen Bild ist sie im Pyjama beim Reinigen ihres Gewehres zu sehen. Dann wieder mit einem für sie abgestellten Beschützer: "Unterwegs mit meinem Schutzengel. Wenn ich nicht bewaffnet bin, ist er es. Lol."

Über 9000 Fans

5000 Personen folgen Johnstons Erlebnissen über ihr privates Profil (Link: https://www.facebook.com/profile.php?id=100009032229047) . Ihre Fanpage (Link: https://www.facebook.com/pages/Samantha-Jay-Heval-Viyan/477039709115913?sk=timeline) , die sie Anfang Mai aufgrund der vielen Anfragen eingerichtet hat, hat bereits über 4000 Abonnenten. Für viele von ihnen scheint Johnston eine Art Pin-up-Girl zu sein.

"Verdammt, Du hast die Augen eines Engels! Vielleicht bist Du auch einer. Du tust Gutes in der Welt", schreibt am Sonntag ein Kommentator unter ein Selfie, das nach knapp sechs Stunden bereits rund 1100 "Gefällt mir" erhalten hat. Und ein anderer: "Du bist wundervoll und erstaunlich. Respekt!"

Inwieweit jeder einzelne Facebook-Post tatsächlich von der 25-Jährigen stammt und wie zeitnah diese zum Entstehungszeitpunkt veröffentlicht werden, ist jedoch unklar. Die Interviewanfrage der "Welt" wurde von einem Assistenten beantwortet.

"Wir müssen alle Anfragen aus Sicherheitsgründen filtern", hieß es zur Begründung. "Sie ist an erster Stelle auf der Liste des IS."

Jeder Krieg braucht seine Helden. Vielleicht ist es Samantha Johnston. Vielleicht ist es auch nur ein PR-Coup.