junge Welt, 28.05.2015

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»Waffenruhe«

Feuerpause in Syrien gefordert

Von Karin Leukefeld

Die Welternährungsorganisation (WFP) hat in Syrien zu einer »humanitären Waffenruhe« aufgerufen, damit die Bauern ihre Ernte einfahren können. Im fünften Kriegsjahr ist dies erneut durch Kämpfe gefährdet, die Landwirte haben Mühe, ihre Felder zu erreichen. »Bei uns steht die Weizenernte bevor«, berichtete ein junger Mann aus Al-Fouah in der Provinz Idlib im Norden Syriens, der gegenüber jW anonym bleiben möchte. Der Ort wird seit Monaten von Kämpfern der Nusra-Front beschossen und ist seit zwei Monaten abgeriegelt (siehe jW vom 27. Mai). »Wir dachten, sie würden uns angreifen, damit wir nicht ernten können, doch nun setzen sie die Felder in Brand.« Mit einem schweren Maschinengewehr würden die Weizenfelder beschossen, die sich in der Hitze und Trockenheit rasch entzünden und lichterloh brennen würden. »Und wenn jemand versucht, trotzdem auf seinen Acker zu gehen, um zu ernten, beschießen sie ihn. Sie wollen uns aushungern.« Zudem sei es sehr teuer, die Traktoren einzusetzen, so der Gesprächspartner. Diesel koste in Al-Fouah wegen der Belagerung pro Liter 1.000 Syrische Pfund (SYP), umgerechnet etwa 3,70 Euro. Benzin koste pro Liter das Fünffache.

Der Ertrag an Weizen könnte in diesem Jahr erstmals wieder höher ausfallen als in den vergangenen zwei Jahren, hieß es in einer WFP-Erklärung am Dienstag. »In Zeiten großer Nahrungsmittelknappheit und der internen Vertreibung ist es wichtig, dass Ernten nicht verloren gehen und die Nahrung im Land bleibt.« Ohne eine »humanitäre Feuerpause« von allen Seiten müssten viele Syrer »hungrig bleiben, obwohl es eine gute Ernte gibt«, so ein WFP-Vertreter. Die Waffenruhe sei wichtig, um den Weizen von den Feldern zu holen und ihn zur Weiterverarbeitung abzutransportieren.
G7 Hinter Schloss & Riegel

Der UN-Sonderbotschafter für Syrien, Staffan de Mistura, unterstützte den WFP-Aufruf. Die Syrer hätten in dem Konflikt »unglaubliches Durchhaltevermögen und Entschlossenheit« gezeigt, sie müssen die Möglichkeit haben, »ihre eigene Ernte einzufahren und ihr eigenes Volk zu versorgen«.

In Gebieten, die unter Kontrolle bewaffneter Gruppen stehen, zwingen die Kämpfer häufig die Bauern, die Feldfrüchte an sie abzugeben. Dabei erhalten sie meist weniger als das, was sie auf dem syrischen Markt erzielen können. Gedroschener Weizen wurde von den Kampfgruppen auch schon gestohlen. Nach Abzweigung für den Eigenbedarf wird das Getreide von ihnen weiterverkauft, auch in die Türkei.