welt.de, 16.06.2015

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WeltN24-Korrespondent von Polizei festgesetzt

Der WeltN24-Türkei-Korrespondent, Deniz Yücel, ist vorübergehend von der Polizei festgesetzt worden. Dem Gouverneur von Akçakale missfiel eine Frage.

Deniz Yücel, Türkei-Korrespondent von WeltN24, ist am Dienstag in der türkisch-syrischen Grenzstadt Akçakale vorübergehend von der türkischen Polizei festgesetzt worden. Er hatte zuvor dem zuständigen Gouverneur der Provinz Urfa, İzzettin Küçük, auf einer improvisierten Pressekonferenz in der Nähe des Grenzübergangs eine kritische Frage gestellt.

Yücel befand sich gemeinsam mit mehreren anderen türkischen und deutschen Journalisten, unter ihnen die Korrespondentin der Wochenzeitung "Die Zeit", in der Stadt im Südosten der Türkei, die in unmittelbarer Nähe der syrischen Stadt Tal Abjad liegt. In Tal Abjad liefern sich kurdische Truppen und Kräfte der Terrorgruppe Islamischer Staat derzeit heftige Gefechte. Offenbar ist es den Kurden inzwischen gelungen, die Isis-Hochburg zu erobern.

Am Montag hatten türkische Sicherheitskräfte Syrer, die über die Grenze in die Türkei fliehen wollten, zunächst mit Wasserwerfern zurückgedrängt, bis sie die verzweifelten Flüchtlinge schließlich passieren ließen.

Lobeshymne auf die Türkei

Der Provinzgouverneur hatte am Tag danach auf der Pressekonferenz ein Lob auf "diese Fahne" und auf "dieses Land" angestimmt, das zahlreichen Menschen die Einreise erlaubt habe. Gemeint war die Türkei. Die Korrespondentin der Zeit, Özlem Topçu, stellte daraufhin die Frage, wovor die Menschen aus Syrien flüchteten. Der Gouverneur antwortete: "Sie fliehen nicht vor dem Islamischen Staat, sondern vor den amerikanischen Bombardements der PKK und der PYD."

Türkische Regierungskreise bemühen sich seit einigen Tagen, den Eindruck zu erwecken, die Kurden vertrieben gezielt die turkmenischen und arabischen Bewohner des Grenzgebietes. Sogar von "ethnischen Säuberungen" ist stellenweise die Rede. Diese Darstellung ließ sich durch die Recherchen der Journalisten vor Ort jedoch bislang nicht bestätigen.

WeltN24-Korrespondent Deniz Yücel fragte daraufhin den Gouverneur, woher dieser seine Informationen habe. So wie er, habe die Lage keiner der befragten Flüchtlinge dargestellt. Diese flöhen vor den Kämpfen und den Luftangriffen, aber nicht vor den Kurden (Link: http://www.welt.de/142539600) . Der Gouverneur erklärte die Pressekonferenz daraufhin für beendet.

Zivilisten spornten Polizisten an

Yücel schildert, dass er unmittelbar danach das Gefühl hatte, dass sich mehrere Kameras auf ihn richteten. Neben ihm stand die bekannte türkische Journalistin Pınar Öğünç, von der Zeitung "Cumhuriyet". Der türkische Kollege Hasan Akbaş, Reporter der "Evrensel", der noch in der Nähe des Gouverneurs stand, hörte unterdessen, wie dieser einem Polizisten zurief, "Schnappt ihn euch".

Yücel wurde dann zunächst auf dem Weg zum Auto von Sicherheitskräften festgehalten. Umstehende Zivilisten spornten die Polizisten dabei offenbar an. Der habe schon den ganzen Vormittag "Fragen gestellt und Fotos gemacht". Wer diese Zivilpersonen waren, ist unklar. Die Polizisten ließen sie gewähren.

Nach einigem Hin und Her, bei dem die Beamten durchaus ruppig vorgingen, wurden Yücel und Öğünç schließlich auf die Polizeiwache von Akçakale gebracht - gemeinsam mit dem Evrensel-Reporter Hasan Akbaş, der die Beamten gefragt hatte, warum sie Yücel festhielten. "Weil wir dazu befugt sind", sagte ein Mitarbeiter des Gouverneurs und ließ Akbaş gleich mit festnehmen.Yücels Einwand, er habe nur eine Frage gestellt, antwortete ihm ein Polizist auf der Wach: "In der Türkei sitzen viele Journalisten in Haft, weil sie eine Frage gestellt haben."

Auf dem Polizeirevier wurden Yücel und die beiden türkischen Kollegen zunächst in die "Abteilung für Terrorismusbekämpfung" gebracht. Nach einer kurzen Befragung wurde ihm dann erklärt, es handele sich nicht um eine Verhaftung, sondern lediglich um eine "Personalienüberprüfung". Nach knapp einer Stunde durfte Yücel (Link: http://www.welt.de/142210874) gemeinsam mit den beiden türkischen Kollegen das Polizeirevier wieder verlassen.