welt.de, 23.06.2015

http://www.welt.de/politik/ausland/article142972443/Kurden-ruecken-an-IS-Hauptstadt-Rakka-heran.html

Kurden rücken an IS-Hauptstadt Rakka heran

Erst vor einer Woche eroberten kurdische Volksschutzeinheiten die Grenzstadt Tel Abiad von der IS-Terrormiliz. Jetzt erleiden die Extremisten im Norden Syriens die nächste schmerzliche Niederlage.

Weiterer Rückschlag für den IS: Kurdische Kämpfer und ihre Verbündeten haben die Terrormiliz Islamischer Staat aus einem früheren Militärstützpunkt und der Stadt Ein Issa 50 Kilometer vor ihrer Hochburg Rakka vertrieben. Es ist nach der Eroberung der Stadt Tel Abiad an der türkischen Grenze der zweite Sieg der Kämpfer über den IS seit der vergangenen Woche.

Die Eroberung des früheren syrischen Militärstützpunktes Brigade 93 wurde von der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte und dem kurdischen Aktivisten Mustafa Bali gemeldet. Sie sei am Montagabend erfolgt, Dutzende IS-Kämpfer seien getötet worden.

Die Angreifer seien weiter in Teile der nahe gelegenen Stadt Ein Issa vorgestoßen, der letzten größeren Siedlung nördlich von Rakka. Am Dienstag meldete YPG-Sprecher Redur Khalil die Einnahme der Stadt. "Ein Issa und Dutzende Dörfer in der Umgebung sind unter unserer Kontrolle", sagte er telefonisch.

Die YPG-Miliz wird von arabischen Stammeskämpfern, assyrischen Christen und einer Rebellengruppe namens Burkan al-Furat (Vulkan des Euphrats) unterstützt. Der Londoner Beobachtungsstelle zufolge versucht die YPG außerdem, eine Fernstraße unter ihre Kontrolle zu bringen, die Aleppo mit der Stadt al-Hasaka verbindet.

Der Islamische Staat gab die militärischen Rückschläge zu. Ihr Sprecher Abu Mohammed al-Adnani sagte in einer am Dienstag in extremistischen Kreisen zirkulierenden Audiobotschaft, Gott habe den Mudschaheddin nie versprochen, "immer zu gewinnen". Sie könnten auch mal "eine Schlacht oder Orte verlieren, aber sie werden niemals besiegt". Es war nicht möglich, die Authentizität der Audioaufnahme zu verifizieren. Sie ähnelte aber vorigen Audio-Erklärungen der Extremisten.

IS verfügt weiterhin über Nachschublinien bis in die Türkei

Ein kurdischer Sprecher, Nawaf Chalil, sagte, der YPG und ihren Verbündeten gehe es nun um die Sicherung der eroberten Gebiete. Einen Angriff auf Rakka schloss er nicht aus. "Rakka ist eine große Region und ein Angriff muss sorgfältig mit anderen Gruppen und der internationalen Allianz (gegen den IS) koordiniert werden", sagte er.

Der IS verfügt trotz der jüngsten Verluste weiterhin über Nachschublinien von Rakka bis in die Türkei. In die Ecke getrieben greift der IS oft auf eine Taktik der verbrannten Erde zurück, unter anderem startet er koordinierte Selbstmordangriffe mit Autobomben. Zudem werden dann oft viele Gefangene umgebracht.

Im Süden lynchten unterdessen Dutzende drusischer Dorfbewohner auf den israelisch besetzten Golanhöhen mutmaßlich sunnitische Extremisten. Sie griffen einen Ambulanzwagen des israelischen Militärs an, der Verwundete in ein Krankenhaus bringen sollte, teilten die israelischen Behörden mit.

Die israelische Regierung verurteilte den Lynchmord am Dienstag scharf. Hintergrund ist die Verfolgung der drusischen Minderheit durch extremistische Gruppen wie dem IS und der Al-Nusra-Front im syrischen Bürgerkrieg. Extremistische Sunniten betrachten die islamische Glaubensgemeinschaft als Abtrünnige.

Die UN werfen allen syrischen Bürgerkriegsparteien rücksichtloses Verhalten gegen die Zivilbevölkerung vor. Dies führe zu unaussprechlichem Leid, erklärte die Unabhängige Internationale Untersuchungskommission für Syrien in einem am Dienstag vorgestellten Bericht. Insbesondere die Regierungstruppen setzten Fassbomben mit verheerender Streuwirkung ein, was auf das Kriegsverbrechen hinauslaufe, Zivilisten ins Visier genommen zu haben.