Neues Deutschland, 25.06.2015

http://www.neues-deutschland.de/artikel/975732.is-dringt-erneut-in-kobane-ein.html

IS dringt erneut in Kobane ein

Schwere Kämpfe zwischen IS und kurdischen Einheiten / IS-Kämpfer trugen Uniformen der kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG)

Erst im Januar hatten die Kurden die Grenzstadt Kobane nach monatelangen Kämpfen aus der Gewalt der IS-Terrormiliz befreit. Diese greift jetzt erneut an. Kamen die IS-Kämpfer von türkischer Seite?
Kobane

Update 14.40 Uhr: Weitere Selbstmordanschläge und Gefechte
Die IS-Offensive zur Wiedereroberung der kurdischen Stadt Kobane im Norden Syriens hält an. Am Donnerstag verübten die Kämpfer insgesamt drei Selbstmordanschläge an einem Grenzübergang zur Türkei. Der erste fand gegen 05.00 Uhr Ortszeit statt, zwei weitere folgten gegen Mittag und nochmals gegen 13.00 Uhr. Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte teilte mit, dass bei dem ersten Anschlag fünf Menschen getötet worden seien. In der Türkei wurden nach Behördenangaben 41 Verletzte ins Krankenhaus eingeliefert, von denen einer im Krankenhaus gestorben sei.

Laut der Beobachtungsstelle wurden zudem bei den Kämpfen in Kobane mindestens acht Dschihadisten und insgesamt zwölf kurdische Kämpfer und Zivilisten getötet. Der örtliche kurdische Behördenvertreter Idris Nassan bestätigte den Einmarsch der Dschihadisten. Sie würden sich für ihre Niederlage rächen und versuchen, Verwirrung zu stiften, »um die Kurden zur Flucht zu bewegen«.

Laut der Beobachtungsstelle trugen die einrückenden Truppen Uniformen der syrisch-kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG). Der kurdische Milizionär Arin Schechmos sagte, IS-Kämpfer in YPG-Uniformen seien früh morgens von der Türkei aus eingerückt, »über die Grenzübergänge und deren Umgebung«.

Gleichzeitig eroberte der IS Teile der nordsyrischen Provinzhauptstadt Hassake. Im Dorf Barech Butan nahe Kobane richteten IS-Kämpfer der Beobachtungsstelle zufolge mindestens 23 Kurden hin, darunter Frauen und Kinder. Demnach zogen sich die Dschihadisten zurück, als die Koalition Luftangriffe flog und sich Kurdenkämpfer näherten.
ztt
Karte zum Angriff des "Islamischen Staats" auf die nordsyrische Stadt Kobane

Update 12.20 Uhr: Mindestens 20 Tote südlich von Kobane
Kämpfer der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) haben bei einem Angriff auf ein Dorf südlich der nordsyrischen Grenzstadt Kobane mindestens 20 Menschen getötet. Unter den Opfern in dem Ort Bacha Batan seien auch Zivilisten, die im Kampf gegen den IS zu den Waffen gegriffen hätten, erklärte die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte am Donnerstag. Auch fünf IS-Kämpfer seien ums Leben gekommen, bevor sich die Dschihadisten zurückgezogen hätten.

Update 11.05 Uhr: Türkei weist Vorwürfe zurück
Die Türkei hat Vorwürfe zurückgewiesen, die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) habe die nordsyrische Grenzstadt Kobane von türkischem Gebiet aus angegriffen. Die Extremisten seien aus Richtung der syrischen Stadt Dscharablus bis nach Kobane vorgedrungen, teilte das Büro des Gouverneurs der Grenzprovinz Sanliurfa am Donnerstag laut der türkischen Nachrichtenagentur DHA mit. Von kurdischer Seite hatte es geheißen, es gebe klare Hinweise, dass die IS-Kämpfer Kobane von der Türkei aus angegriffen hätten.
IS-Extremisten dringen erneut in Kobane ein

Kobane. Die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) ist erneut bis in die nordsyrische Grenzstadt Kobane vorgestoßen. In der Nacht habe es in mehreren Gebieten des Ortes schwere Kämpfe zwischen kurdischen Einheiten und den Extremisten gegeben, berichtete die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte am Donnerstag. Die heftigen Kämpfe gingen weiter. Die Kurden hatten Kobane erste Ende Januar nach monatelangen Kämpfen aus der Gewalt des IS befreit.

Ein IS-Kämpfer habe sich am frühen Morgen am Grenzübergang zur Türkei mit einem Fahrzeug in die Luft gesprengt, erklärten die Menschenrechtler. Aktivisten aus der Stadt berichteten von weiteren Explosionen. Dutzende Menschen seien getötet worden, die meisten von ihnen Zivilisten, sagte ein Korrespondent des lokalen syrischen Radiosenders Arta FM der Deutschen Presse-Agentur.

Ihm zufolge gibt es deutliche Hinweise, dass die IS-Kämpfer von türkischem Gebiet aus Kobane angegriffen habe. Auf der syrischen Seite der Grenze hätten die Kurden zahlreiche Kontrollpunkte errichtet, die die IS-Kämpfer nicht hätten passieren können. Derzeit seien nur wenige Kämpfer der kurdischen Volksschutzeinheiten (YPG) in der Stadt, da diese an anderen Fronten gegen den IS kämpften. Kurden-Sprecher Idriss Nassan erklärte, die Gefechte gingen weiter, die Lage sei aber unter Kontrolle.

Der IS hatte die vor allem von Kurden bewohnte Grenzstadt bereits im vergangenen Jahr angegriffen und große Teile Kobanes eingenommen. Mit Hilfe von Luftangriffen der internationalen Koalition gelang es den kurdischen Volksschutzeinheiten in monatelangen Kämpfen jedoch, die Dschihadisten zurückzudrängen. Ende Januar wurde Kobane endgültig befreit. Kämpfe und Luftangriffe haben jedoch große Teile der Stadt in Schutt und Asche gelegt. Erst in den vergangenen Wochen war langsam wieder Leben nach Kobane zurückgekehrt.
Der neue IS-Angriff erfolgte nur wenige Tage, nachdem die Extremisten im Norden Syriens schwere Niederlagen gegen die Kurden einstecken mussten. In der vergangenen Woche hatten die Volksschutzeinheiten die weiter östlich gelegene Grenzstadt Tell Abjad befreit. Am Dienstag nahmen sie den Ort ein Ain Issa und rückten bis auf rund 50 Kilometer an die syrische IS-Hochburg Al-Rakka heran. Die Extremisten verloren durch die Niederlagen ihre wichtigsten Nachschubwege in die Türkei.

IS-Kämpfer griffen am Donnerstag auch die östlich von Kobane gelegene Stadt Hasaka an. Bei heftigen Kämpfen seien mindestens 20 Dschihadisten und 30 Anhänger des syrischen Regimes getötet worden, erklärte die Beobachtungsstelle für Menschenrechte. Die Extremisten hätten einige Teil der Stadt eingenommen. dpa/nd