lto.de, 25.06.2015 http://www.lto.de/recht/hintergruende/h/eugh-urteil-c-373-13-fluechtlinge-unterstuetzung-terrororganisationen-spenden/ EuGH zur Beteiligung an einer Terrororganisation: Spenden verboten von Tobias Klarmann 25.06.2015 Ein anerkannter Flüchtling sammelt Spenden für die PKK. Das kann nach einem Urteil des EuGH zur Ausweisung führen. Entscheidend ist, ob ein zwingender Grund der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung vorliegt, erklärt Tobias Klarmann.
<page>Wann nach dem EuGH eine Ausweisung möglich ist…</page> Kann ein anerkannter Flüchtling überhaupt ausgewiesen werden? Grundsätzlich besteht ein Verbot der Zurückweisung nach Art. 33 Abs. 1 der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK). Danach dürfen Flüchtlinge nicht in Länder zurückgewiesen werden, in denen ihr Leben oder ihre Freiheit wegen ihrer Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Überzeugung bedroht ist. Eine Ausnahme besteht jedoch nach Art. 33 Abs. 2 GFK. Wenn der Flüchtling aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit des Landes anzusehen ist, in dem er sich befindet, oder er eine Gefahr für die Allgemeinheit dieses Staates bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder eines besonders schweren Vergehens rechtskräftig verurteilt wurde. Diese Ausnahme findet sich, ähnlich formuliert, in Art. 21 Abs. 2 der Qualifikationsrichtlinie (QRL) 2011/95/EU wieder. Der Kläger in dem Verfahren, in dessen Rahmen die Vorlage an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) erfolgte, hat Spenden für die PKK gesammelt und diese weitergeleitet, eine PKK-Veröffentlichung vertrieben und an rechtmäßigen Versammlungen und Veranstaltungen teilgenommen. Da der Verwaltungsgerichtshof (VGH) Baden-Württemberg dies nicht als ausreichend für die Annahme stichhaltiger Gründe für eine Sicherheitsgefahr im Sinne des Art. 21 Abs. 2 QRL ansieht, hat er ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH gerichtet. Darin ging es um die
Frage, unter welchen Umständen die Aufhebung des Aufenthaltstitels eines
anerkannten Flüchtlings europarechtskonform ist. Vorliegend geht es um eine Ausweisung und den Widerruf des Aufenthaltstitels. Dies ist nicht gleichzusetzen mit einer Abschiebung. Eine Ausweisung stellt zunächst nur fest, dass die betroffene Person das Land grundsätzlich zu verlassen hat. Nicht immer hat das auch den korrespondierenden Vollzugsakt der Abschiebung zur Folge. Im Fall vor dem EuGH war "nur" eine Ausweisung und ein Entzug des Aufenthaltstitels beabsichtigt; der Betroffene sollte jedoch nicht abgeschoben, sondern sein Aufenthalt weiter geduldet werden. Daher stellte sich die Frage, ob für die weniger invasive Ausweisung ohne Abschiebung nicht auch geringere Anforderungen zu stellen sind. Konkret geht es um Art. 24 Abs. 1 QRL. Dieser regelt, dass einem anerkannten Flüchtling ein verlängerbarer Aufenthaltstitel von mindestens dreijähriger Dauer ausgestellt werden muss. Allerdings nur, wenn dem keine zwingenden Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung entgegenstehen. Der VGH argumentiert,
dass es vom Zufall abhängen kann, ob entsprechende Gründe vor oder nach
der Erteilung eines Titels bekannt werden. Daher müsse neben der Nicht-Gewährung
auch der nachträgliche Entzug eines Aufenthaltstitels erfasst sein. Der
EuGH bestätigt diese Annahme. Sinn und Zweck der Regelung ist eine effektive
Terrorbekämpfung. Dies spiegelt sich auch in der Entstehungsgeschichte
wieder. Da auch der Wortlaut des Art. 24 QRL und die Richtliniensystematik
dem nicht entgegenstehen, wurde die Möglichkeit eines Widerrufs des Aufenthaltstitels
unter den Voraussetzungen des Art. 24 QRL bejaht. Der zweite Teil der Vorlage betrifft die Voraussetzungen für einen Widerruf nach Art. 24 QRL. Dies geschieht insbesondere in Abgrenzung zu Art. 21 QRL. Sprachlich unterscheiden sich die beiden Regelungen im Erfordernis nach zwingenden (Art. 21 QRL) und stichhaltigen (Art. 24 QRL) Gründen. Außerdem umfasst Art. 24 zusätzlich die öffentliche Ordnung als geschütztes Rechtsgut. Der EuGH stellt fest, dass beide Regelungen unterschiedliche Anwendungsbereiche haben. Die Ausnahme in Art. 21 QRL ist ultima ratio zur Gefahrenabwehr. Dagegen betrifft Art. 24 QRL nur die Versagung eines Aufenthaltstitels, nicht jedoch die Zurückweisung des Flüchtlings. Daher sind die Gefahrenschwelle und der Schweregrad bei der Feststellung von zwingenden Gründen in Art. 24 QRL geringer einzuschätzen als bei den stichhaltigen Gründen in Art. 21 QRL. Weil es sich um ein Vorlageverfahren handelte, hat der EuGH lediglich entschieden, dass, und unter welchen Umständen, eine Ausweisung europarechtskonform ist (Urt. v. 24.06.2015, Az. C-373/13). Die Frage, ob das Verhalten des Klägers tatsächlich diese Anforderungen erfüllt, muss weiterhin das vorlegende nationale Gericht entscheiden. Der VGH muss nun also feststellen, ob zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung vorliegen. <page>… und
was das in der Praxis bedeutet</page> An der Einstufung der PKK als Terrororganisation in Deutschland seit 1993 und in der EU seit 2002 hat sich trotz der Zusammenarbeit im Kampf gegen den IS und dem verbesserten Verhältnis zur türkischen Regierung bislang nichts geändert. Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hatte in einem anderen Verfahren eine Ausweisung aufgrund einer aktiven Unterstützung der PKK bestätigt (Urt. v. 30.07.2013, Az. 1 C 9.12). Der Bundesgerichtshof (BGH) hat die PKK gleichfalls wiederholt dem Terrorismus zugerechnet. Auch der VGH vertritt
im Beschluss des Ausgangsverfahrens die Auffassung, dass die Unterstützung
der PKK durch den Kläger einen zwingenden Grund im Sinne des Art. 24 Abs.
1 QRL darstellt. Er stellt jedoch klar, dass dies lediglich ein Anhaltspunkt ist. Die tatsächliche Gefahr einer Organisation ist von Fall zu Fall gesondert zu prüfen. In einem zweiten Schritt ist dann die Unterstützungshandlung der betreffenden Person zu prüfen. Der bloße Umstand, dass eine Unterstützung stattgefunden hat, reicht dabei nicht aus. Entscheidend ist, ob die Person selbst terroristische Handlungen begangen hat oder an Planung, Entscheidungen oder Anleitung zu solchen beteiligt war. Bei der Finanzierung und Mittelbeschaffung ist entscheidend auf den Umfang abzustellen. Neben der individuellen
Verantwortung ist auch das (Fort-)Bestehen der Gefahr zum Zeitpunkt der
Entscheidung zu prüfen. An dieser Stelle lässt der EuGH Zweifel an der
Einschätzung des VGH im Ausgangsverfahren durchschimmern. Bleibt der VGH bei seiner Einschätzung, hätte dies zur Folge, dass der Kläger seine Niederlassungserlaubnis verlieren und stattdessen geduldet werden würde. Er würde also trotzdem auf dem Staatgebiet verbleiben. Der Titelverlust hätte daher grundsätzlich nur eine Einschränkung von sozialen Rechten zur Folge. Grundlage für die Ausweisung ist eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit durch die betroffene Person. Dass sich diese Gefahr verringert, wenn man der Person den Arbeitsmarktzugang erschwert und soziale Leistungen einschränkt, erscheint zweifelhaft. Zudem hat der EuGH betont, dass die in Kapitel VII QRL festgelegten Rechte weiterhin gewährt werden müssen. Sofern diesbezüglich Einschränkungen überhaupt zulässig sein sollten, wären sie also sehr überschaubar. Darum geht es letztlich
jedoch auch gar nicht. Entscheidend ist, dass wegen des Titelentzuges
§54a AufenthG angewendet werden kann. Dieser ermöglicht Meldepflichten
und Aufenthaltsbeschränkungen. Während der Kläger sich mit einer Aufenthaltserlaubnis
nach Art. 21 Abs. 1 Schengener Durchführungsabkommen (SDÜ) frei im Hoheitsgebiet
aller Mitgliedstaaten bewegen könnte, lässt § 54a Abs. 2 AufenthG die
Beschränkung des Aufenthalts auf den Bezirk der Ausländerbehörde zu. Der Autor Tobias Klarmann ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl von Prof. Dr. Daniel Thym für Öffentliches Recht, Europa- und Völkerrecht an der Universität Konstanz und Mitglied des dortigen Forschungszentrums Ausländer- und Asylrecht (FZAA). Er promoviert im europäischen Migrationsrecht. |