junge Welt, 09.07.2015

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Flüchtlingslager im Grenzgebiet

Die Türkei plant offenbar, ein weiteres Flüchtlingslager im Grenzgebiet zu Syrien zu errichten. Ort des Camps soll Kilis sein, das nur knapp zehn Kilometer von der Grenze zu Syrien entfernt liegt. Auf syrischer Seite liegt die Grenzstadt Asas, die im Laufe der vergangenen Jahre von verschiedenen islamistischen Kampfgruppen kontrolliert worden war. Von Asas aus sind es nur etwa 50 Kilometer bis nach Aleppo.

Durch den Grenzübergang Öncüpinar, der Kilis und Asas verbindet, verläuft eine zentrale Nachschubroute für die Kampfverbände, die derzeit in Aleppo eine Offensive gegen die syrische Armee durchführen. Der Grenzübergang wird auch von Journalisten und Hilfsorganisationen genutzt.

Nach Angaben der türkischen Katastrophenbehörde (AFAD) sollen in dem neuen Lager bis zu 55.000 Flüchtlinge untergebracht werden können. Bisher gibt es bereits 25 Flüchtlingslager im türkisch-syrischen Grenzgebiet, in denen türkischen Angaben zufolge 278.000 Personen registriert sind.
Krimisommerabo

Anlass der Überlegungen sind Befürchtungen, die Miliz »Islamischer Staat« (IS) könne eine Offensive auf der syrischen Seite der Grenze starten. Dann könnten innerhalb von 24 Stunden bis zu 100.000 Menschen versuchen, in die Türkei zu fliehen. Bei einem »Erfolg« des IS würden möglicherweise mehr als vier Millionen Syrer aus der Provinz Aleppo in der Türkei Schutz suchen. »Davor haben wir Angst«, räumten AFAD-Vertreter gegenüber türkischen Journalisten ein.

Die Überlegungen zum Bau eines neuen Flüchtlingslagers wurden demnach angestellt bei einer Beratung des türkischen Nationalen Sicherheitsrates (MGK). Dieser behauptet, die syrische Armee – O-Ton: das »Assad Regime« – und der IS kooperierten. Nach MGK-Darstellung bereite die syrische Armee dem »Islamischen Staat« den Weg, den Norden von Aleppo zu kontrollieren, um die »Freie Syrische Armee«, die von der Türkei unterstützt werde, zu vertreiben.

Die Türkei verfolgt bei der Unterstützung von bewaffneten Gruppen zumindest einen zwiespältigen Kurs. Berichten zufolge können IS-Kämpfer die Grenze frei passieren, Verletzte werden in mindestens einem Krankenhaus in Gaziantep versorgt. Ein IS-Kämpfer türkischer Herkunft, der 22jährige Huseyin Mustafa Peri, war in der Türkei angeworben worden. Der Mann war Anfang Juni 2015 von den kurdischen Selbstverteidigungskräften (YPG) gefangengenommen und befragt worden. Er sagte aus, er sei von Vertretern der Muslimbruderschaft für den IS angeworben worden. (kl)