junge Welt, 15.07.2015

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Tod eines Antifaschisten

Junger deutscher Internationalist stirbt im Kampf gegen »Islamischen Staat« in Syrien

Von Nick Brauns
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Foto: ISKU/Informationsstelle Kurdistan

Ein junger Deutscher ist bei Gefechten mit den Dschihadisten des sogenannten Islamischen Staates (IS) im Norden Syriens getötet worden. Das teilte das Pressezentrum der kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG), denen sich der erst 21jährige Kevin Jochim aus Karlsruhe unter seinem Kampfnamen Dilsoz Bahar im Jahr 2012 angeschlossen hatte, zu Wochenbeginn mit. Gemeinsam mit fünf weiteren YPG-Kämpfern sei Jochim bereits am 6. Juli bei einem Gefecht nahe der Stadt Suluk gefallen. In Deutschland war Jochim in antifaschistischen Zusammenhängen aktiv, bevor er sich als 19jähriger der Befreiungsbewegung in Rojava – dem mehrheitlich kurdisch besiedelten Selbstverwaltungsgebiet in Nordsyrien – anschloss. In einem Interview mit einem kurdischen Fernsehsender hatte er erklärt, von der Selbstorganisierung der Gesellschaft und dem Kampf gegen Unterdrückung in Rojava lernen zu wollen. »Er hat sich nicht nur große Verdienste an der Front erworben, sein Ziel war es, Brücken zu bauen. Er kämpfte mit, um eine äußerst wichtige Brücke zwischen den Kurden von Rojava zu schaffen, und er schlug eine Brücke zwischen Kontinenten für das Schicksal unserer Völker und der Menschheit«, heißt es in einem Brief des YPG-Generalkommandos an die Angehörigen.

Jochim ist der zweite Deutsche, der im Kampf gegen den IS starb. Bereits im März war die 19jährige Internationalistin Ivana Hoffmann aus Duisburg bei der Verteidigung eines christlichen Dorfes gegen den IS in Rojava getötet worden. Ebenso wie Jochim war Hoffmann zuvor in antifaschistischen Gruppen aktiv. Als Mitglied der Marxistisch-Leninistisch-Kommunistischen Partei (MLKP) aus der Türkei hatte sie sich den YPG angeschlossen. Auf Initiative der MLKP wurde inzwischen eine Internationale Freiheitsbrigade aus Kommunisten aus der Türkei, Spanien, Griechenland und Deutschland gebildet, die seit Juni im Kampf gegen den IS steht. Deren Mitglieder müssen sich bei einer Rückkehr nach Europa auf strafrechtliche Verfolgung gefasst machen. So wurden in der vergangenen Woche die beiden jungen spanischen Kommunisten Pablo D.O. und Alvaro F.R., die zuvor ein halbes Jahr lang gegen den IS gekämpft hatten, bei ihrer Rückkehr nach Spanien wegen »Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung« festgenommen. Zwar wurden die beiden Mitglieder der kleinen Marxistisch-Leninistischen Partei (Revolutionärer Aufbau) nach einem Verhör am Nationalen Gerichtshof wieder freigelassen, doch sie unterliegen Meldeauflagen, und sie dürfen das Land nicht verlassen, während ihr Strafverfahren weiterläuft. Nach der Logik des Madrider Sondergerichts handelt es sich bei den YPG um eine terroristische Vereinigung, da diese in Verbindung mit der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) ständen, die wiederum von der EU als terroristisch klassifiziert wurde.

Diese Sichtweise teilt offenbar auch die britische Justiz. Denn bereits im März wurde die 18jährige Kurdin Silan Özcelik in London in Untersuchungshaft gekommen, weil sie beschuldigt wurde, sich den YPG in Rojava anschließen zu wollen. Auch deutsche Behörden scheinen sich inzwischen diese Lesart zu eigen zu machen. So wurde Sofie K., Mitglied der kommunistischen Jugendgruppe Young Struggle aus Duisburg, am 18. Juni von dem Abflug in die Türkei am Düsseldorfer Flughafen von der Bundespolizei gestoppt. Zwar erklärte Sofie K., sich einer humanitären Solidaritätsbrigade anschließen zu wollen, die derzeit in der vom IS befreiten aber weitgehend zerstörten syrisch-kurdischen Stadt Kobani ein Gesundheitszentrum errichtet. Doch die Polizei unterstellte ihr, in Wirklichkeit den YPG zum Kampf gegen den IS beitreten zu wollen. Pass und Personalausweis der jungen Duisburgerin wurden eingezogen und ihr zur »Gefahrenabwehr« ein Ausreiseverbot erteilt.

Den Beschluss, neben dem Pass auch den Personalausweis einzuziehen, hatte der Bundestag erst vor wenigen Wochen gefasst. Begründet wurde diese Gesetzesänderung damit, Dschihadisten von der Ausreise nach Syrien abzuhalten.