taz, 21.07.2015

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Anschläge an türkisch-syrischer Grenze

Zahl der Todesopfer auf 31 gestiegen

Viele Verletzte schweben noch in Lebensgefahr. In Istanbul gingen mehrere Tausend Menschen aus Protest gegen den Anschlag auf die Straße.

ANKARA/ISTANBUL afp/dpa | Nach dem Selbstmordanschlag im türkischen Suruc nahe der Grenze zu Syrien ist die Zahl der Todesopfer auf mindestens 31 gestiegen. Dabei handele es sich um eine vorläufige Bilanz, sagte ein Regierungsvertreter, der nicht namentlich genannt werden wollte, am Montag der Nachrichtenagentur AFP. Der örtliche Gouverneur Abdullah Ciftici teilte am Montagabend mit, dass etwa 20 der rund hundert Verletzten in Lebensgefahr schwebten.

Zu dem Anti-IS-Treffen, auf das der Anschlag verübt wurde, hatten sich in Suruc rund 300 linksgerichtete und prokurdische Teilnehmer versammelt, überwiegend Studenten. Sie hatten vor, den Wiederaufbau der syrischen Grenzstadt Kobane voranzutreiben, die durch wiederholte IS-Attacken weitgehend zerstört wurde.

Der türkische Ministerpräsident Ahmet Davutoglu sagte, nach ersten Erkenntnissen gehe der Anschlag auf das Konto der Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS). Sollte sich dies bewahrheiten, wäre es der erste IS-Anschlag in der Türkei. Laut türkischen Medien wurde der Anschlag von einer um die 20 Jahre alten Selbstmordattentäterin begangen.

Erdogan und Ban Ki Moon verurteilen die Tat

Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan verurteilte die Tat. Im Zentrum Istanbuls gingen am Montagabend mehrere Tausend Menschen aus Protest gegen den Anschlag auf die Straße. Die Polizei setzte Tränengas ein und löste die Demonstration auf.

UN-Generalsekretär Ban Ki Moon verurteilte den Anschlag scharf. „Kein Grund oder Missstand kann je einen Anschlag auf Zivilisten rechtfertigen“, sagte Ban laut einer am Montag von den Vereinten Nationen in New York verbreiteten Mitteilung. Er hoffe, dass die Verantwortlichen rasch identifiziert und zur Rechenschaft gezogen würden. Den Angehörigen der Opfer sprach Ban sein Beileid aus.

In Suruc befindet sich eines der größten Flüchtlingslager für Syrer, die vor den Kämpfen in ihrem Land flohen. In dem im Januar eröffneten Camp leben rund 35.000 Flüchtlinge. Insgesamt flohen seit dem Beginn des Bürgerkriegs vor vier Jahren 1,8 Millionen Menschen aus Syrien in die Türkei. Die beiden Länder haben eine 911 Kilometer lange gemeinsame Grenze.

Die überwiegend von Kurden bewohnte Stadt Kobane war im vergangenen Jahr monatelang Schauplatz heftiger Kämpfe, nachdem der IS dort eingerückt war. Im Januar zwangen kurdische Kämpfer mit Unterstützung von US-geführten Luftangriffen die IS-Kämpfer zum Rückzug. Ende Juni startete der IS eine neue Offensive, wurde aber nach nur zwei Tagen wieder aus der Grenzstadt vertrieben.

Autobombe in Kobane

Kurz nach der Explosion in Suruc wurden in Kobane mindestens zwei Kämpfer der kurdischen Volksschutzeinheiten (YPG) durch eine Autobombe getötet. Kurdensprecher Idriss Nassan sagte, die Bombe sei an einem Kontrollpunkt in der Nähe einer Schule explodiert.

Der Anschlag in Suruc ist der schwerste in der Türkei, seit im Mai 2013 in der Grenzstadt Reyhanli zwei Autobomben explodierten und 51 Menschen in den Tod rissen. Die türkische Regierung machte damals die linksextreme DHKP-C mit Kontakten zum syrischen Regime für die Tat verantwortlich. Der syrische Präsident Baschar al-Assad wies den Vorwurf zurück. Ankara betreibt den Sturz Assads. Ihre Truppen an der Grenze zu Syrien hat die Türkei in den vergangenen Wochen verstärkt.