Neues Deutschland, 21.07.2015

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Tränengas in Istanbul, Festnahmen in Berlin

Polizei geht nach Anschlag auf Kobane-Solidarität gegen Trauerkundgebungen vor / Zahl der Opfer des Attentats von Suruc auf 31 gestiegen

Update 7.30 Uhr: MV für Kobane entgeht Anschlag knapp
Trauer und Wut äußerte auch die Initiative »Mecklenburg-Vorpommern für Kobane«, die schon länger Geld und Hilfsgüter für die Menschen in der vom IS befreiten und zum Symbol für linkes, emanzipatorisches Zusammenleben gewordenen Stadt gewordenen Stadt zu sammeln. »Mitglieder unserer Initiative, die sich seit heute in Suruc aufhalten, sind nur mit Glück diesem Terror entgangen«, hieß es am Montag seitens der Initiative. Man gedenke den Opfern des Anschlages und bekräftige die Solidarität mit den vielen internationalen, türkischen und kurdischen Helfern, »denen dieser perfide Anschlag galt«. Die Mitglieder des Hilfskomitees aus Rostock hätten »Schreckliches erleben« müssen. Die Initiative rief für den Dienstagabend nach Rostock um 18 Uhr zu einer Trauerkundgebung auf.

Tränengas in Istanbul, Festnahmen in Berlin

Berlin. Nach dem verheerenden Anschlag auf ein linkes Kulturzentrum in Suruc sind am Montagabend in Istanbul mehrere Tausend Menschen in Wut und Trauer auf die Straße gegangen. Die Polizei setzte Tränengas ein und löste die Demonstration auf. Auch in vielen anderen Städten fanden Kundgebungen statt.

In Berlin kritisierte die Linkenpolitikerin Sevim Dagdelen die Regierung in der Türkei. »In Suruc ging die Saat des AKP Regimes auf, das jahrelang in den IS investiert hat.« Die Terrormmiliz wolle »unsere Hilfsbrigaden für Kobane einschüchtern. Aber wir werden sie noch verstärken«, hieß es bei der Kundgebung. Nach der Kundgebung wurden sechs Demonstranten kurzzeitig festgenommen worden. Nach Angaben der Polizei vom Dienstag wird ihnen Landfriedensbruch, Körperverletzung und versuchte Gefangenenbefreiung vorgeworfen. Die Demonstranten wiesen diese Vorwürfe als unbegründet zurück. Wegen der Festnahmen hatte es aus Protest Sitzblockaden gegeben. Zuvor hatten nach Zahlen der Polizei etwa 1.100 Menschen ihrer Wut und Trauer über den Anschlag in Suruc Ausdruck verliehen.

Nach dem Anschlag ist die Zahl der Todesopfer derweil auf mindestens 31 gestiegen. Es könne sich aber ur um eine vorläufige Bilanz handeln, sagte ein Regierungsvertreter, der nicht namentlich genannt werden wollte, am Montag der Nachrichtenagentur AFP. Der örtliche Gouverneur Abdullah Ciftici teilte am Montagabend mit, dass etwa 20 der rund hundert Verletzten in Lebensgefahr schwebten. Laut türkischen Medien wurde der Anschlag von einer um die 20 Jahre alten Selbstmordattentäterin begangen.

Viele Tote bei Anschlag auf Kobane-Solidarität in Suruc

Mindestens 30 Opfer, viele davon frewillige Helfer aus linken Jugendverbänden / Polizei geht gegen Trauer-Demo in Istanbul vor / Attentäter zielen auf Amara-Kulturzentrum: ein Ort, der für Solidarität steht

Rund 300 vor allem jugendliche Vertreter und Studenten aus linken Organisationen und der sozialistischen SGDF hatten sich im Amara-Kulturzentrum von Suruc versammelt, um dort ihre Hilfsaktion für den Wiederaufbau der syrischen Grenzstadt Kobane vorzubereiten. Das linke Kulturzentrum ist ein Ort, der vor allem für Solidarität steht. Das Zentrum wird von der kurdischen Stadtverwaltung betrieben und steht der linken Partei HDP nahe. Im Garten trinken die Anwohner Tee. Im vergangenen September war das Zentrum ein Anker für tausende Flüchtlinge, die in nur wenigen Tagen vor Kämpfen im nahe gelegenen syrischen Kobane nach Suruc flohen. Sie erhielten im Garten erste Versorgung, Essen und Unterkunft.

Die von dem Anschlag betroffenen Aktivisten hatten zuvor in ihren Stadtvierteln Geld gesammelt, um in den nächsten Wochen in Kobanê einen Freizeitpark für Kinder zu bauen, berichtet Martin Glasenapp von der Organisation medico. »Nachdem sie sich an großen Tischen mit Angehörigen von getöteten YPG-/YPJ-KämpferInnen aus Kobanê getroffen hatten, stellten sie sich zu einem Erinnerungsbild auf. Der Garten war voll mit Menschen. In diesem Moment zündete ein Selbstmordattentäter die fürchterliche Bombe.« Agenturen/nd