junge Welt , 25.07.2015

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Türkei greift Syrien an
Nachbarland bombardiert. Ankara vereinbart mit Washington Flugverbotszone und stellt dafür Luftwaffenstützpunkt zur Verfügung
Von Nick Brauns/Izmir

Am frühen Freitag morgen hat die Türkei das Nachbarland Syrien bombardiert. Kampfflugzeuge griffen mehrere Ziele des »Islamischen Staates« (IS) an, wie ein Regierungssprecher bekanntgab. Dabei seien Stützpunkte der Dschihadisten zerstört worden. Der türkische Premierminister Ahmet Davutoglu erklärte, die am Freitag begonnenen Einsätze seien »kein Einzelfall« und würden fortgeführt.

Die syrische Regierung hat die Angriffe kritisiert. »Syrien kann auf seinem Boden keine türkische Aktion akzeptieren«, sagte Vizeaußenminister Faisal Al-Mikdad am Freitag laut Al-Watan. Die Türkei müsse die Souveränität Syriens respektieren.

Dem Luftangriff vorausgegangen war am Donnerstag ein Gefecht zwischen der türkischen Armee und IS-Einheiten im türkisch-syrischen Grenzgebiet bei Kilis. Fünf Islamisten hätten, nachdem Soldaten sie daran gehindert haben sollen, über die Grenze zu gelangen, auf einen Posten geschossen. Dabei sei ein Soldat getötet worden, heißt es in einer Erklärung des Militärs. Die türkischen Truppen erwiderten das Feuer mit Panzern und Artillerie und töteten einen IS-Kämpfer.

Bereits am Mittwoch sollen sich der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan und sein US-amerikanischer Amtskollege Barack Obama während eines Telefonats geeinigt haben, dass die US-geführte Anti-IS-Allianz ab August den türkischen Luftwaffenstützpunkt Incirlik bei Adana nutzen darf. Das berichtete die Zeitung Hürriyet Daily News am Donnerstag unter Berufung auf einen namentlich nicht genannten US-Regierungsbeamten.

Bislang musste das Kriegsbündnis für seine Luftangriffe auf Stützpunkte in den Golfstaaten zurückgreifen, die 2.000 Kilometer von der in Syrien gelegenen Hauptstadt des IS, Al-Rakka, entfernt liegen. Von Incirlik aus beträgt die Entfernung dagegen nur 400 Kilometer. Aus dem Weißen Haus hieß es lediglich, beide Seiten hätten sich auf Maßnahmen zur Sicherung der türkischen Grenze sowie gegen die Bewegungen »ausländischer Kämpfer« geeinigt. Der türkische Vizeministerpräsident Bülent Arinc bestätigte eine Übereinkunft, nannte aber ebenfalls keine Details.

Nach Informationen von Hürriyet Daily News willigten die USA in die türkische Forderung nach einer Flugverbotszone ein. In einem Korridor von 90 Kilometern Länge und 50 Kilometern Tiefe westlich der vom IS kontrollierten Stadt Dscharabulus sollen Flugzeuge der syrischen Luftwaffe abgeschossen werden. Damit sollen die von der Türkei und den USA unterstützten sogenannten gemäßigten Rebellen – eine Koalition unter Einschluss von Al-Qaida-Kräften – beim Kampf gegen die syrische Regierung von Präsident Baschar Al-Assad geschützt werden. Ankara hatte bislang die Öffnung von Luftwaffenstützpunkten an die Bedingung geknüpft, dass von dort ausgehende Kampfeinsätze sowohl gegen den IS als auch die syrische Regierung gerichtet sein müssten.

In den vergangenen Wochen hatte die Türkei ihre Truppen entlang der Grenze nach Syrien erheblich verstärkt, Regierungsvertreter drohten mit einem Einmarsch – um die angeblich bevorstehende Bildung eines kurdischen Staates im Norden Syriens zu verhindern. Auch der jetzt beschlossene Bau einer 150 Kilometer langen Mauer zur Grenzsicherung soll sich nicht nur entlang der vom IS gehaltenen Gebiete, sondern auch entlang der kurdischen Selbstverwaltungskantone erstrecken.