junge Welt , 25.07.2015
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Terror und Täuschung
Gastkommentar. Türkei greift IS-Stellungen in Syrien an
Von Sevim Dagdelen
Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan lässt Stellungen der Dschihadistenmiliz »Islamischer Staat« (IS) in Syrien bombardieren. Es ist fraglich, ob dies einen grundlegenden Wandel in der Syrien-Politik Ankaras einleitet. Vieles deutet darauf hin, dass es sich lediglich um ein großangelegtes Täuschungsmanöver handelt. Nach dem Anschlag des IS in Suruc steht Erdogans AKP-Regime massiv unter Druck. Denn es ist offensichtlich: IS und AKP arbeiten zusammen bzw. verfolgen zumindest gemeinsame Interessen, wenn es um Angriffe auf die kurdische Selbstverwaltung und ihre Unterstützer geht. Mit den Bombardements auf IS-Stellungen im Nachbarland tritt Zauberlehrling Erdogan nun die Flucht nach vorn an. Nach den Niederlagen bei Giri Spi (arabisch: Tal Abyad) und bei Heseke (Al-Hasaka), wo kurdische Selbstverteidigungseinheiten gemeinsam mit syrischen Regierungstruppen Einheiten des sogenannten Islamischen Staates eingekesselt haben, erfüllt der IS seine Funktion für Ankara, die syrische Regierung zu schwächen und die kurdische Selbstverwaltung zu zerschlagen, nur noch in unzureichender Weise. Erdogan nimmt jetzt die Sache selbst in die Hand. Er lässt den IS gerade zwischen den beiden kurdischen Kantonen Efrin und Kobani angreifen. Offenbar soll ein territorialer Zusammenschluss wie im Fall von Kobani und Cizire an der irakischen Grenze verhindert werden. Dazu will die Türkei wie seit 2012 gefordert eine Pufferzone nördlich der syrischen Großstadt Aleppo einrichten.
Zugleich will Erdogan eine Flugverbotszone im Norden Syriens durchsetzen. Die richtet sich allein gegen die syrischen Regierungstruppen, denn der IS selbst verfügt über keine Luftstreitkräfte. Ein NATO-Bündnisfall rückt in greifbare Nähe. Zudem erhalten so die mit Erdogan verbündeten islamistischen Gotteskrieger der »Ahrar Al-Scham« einen Rückzugsraum. Seit geraumer Zeit versucht Ankara diese Terrortruppe dem Westen als »moderate Rebellen« für einen Regime-Change in Syrien schmackhaft zu machen. Doch »Ahrar Al-Scham« ist verantwortlich für zahlreiche Massaker an Minderheiten in Syrien. Die Gruppe eroberte in diesem Jahr gemeinsam mit Al-Qaida einen Teil des Nordens Syriens und hat die Errichtung eines islamistischen Gottesstaates zum Ziel.
Mit seiner fortgesetzten Unterstützung für islamistische Terroristen in Syrien und seiner Interventionspolitik gegen die Kurden riskiert Präsident Erdogan offen den Bürgerkrieg in seinem Land. Ganz nach dem Motto: Wer Wind sät, wird Sturm ernten. Auch etliche Anhänger der AKP träumen von einem Gottesstaat Türkei. Angesichts dieses Szenarios braucht es Widerstand gegen den Krieg und die Terrorpolitik des Westens an der Seite Ankaras und der Golfdiktaturen.
Sevim Dagdelen ist Sprecherin der Bundestagsfraktion Die Linke für Internationale Beziehungen und Vizevorsitzende der Deutsch-Türkischen Parlamentariergruppe
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