Sputniknews, 28.07.2015

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Türkei will Nato in Konflikt mit Kurden und Syrien verwickeln

Die Nato hat heute in Brüssel auf Initiative der türkischen Regierung eine Sondersitzung angesetzt. Die Türkei kämpft im Irak und in Syrien an zwei Fronten - gegen den „Islamischen Staat“ (IS) und die Kurden, schreibt die Zeitung „Kommersant“ am Dienstag.

Dass sich Ankara gleich in mehrere Konflikte einmischte, kam überraschend für seine Verbündeten. Während im Fall IS die türkischen Behörden mit einer völligen Unterstützung des Westens rechnen können, lösten die Angriffe auf Kurden, die im Irak und Syrien gegen die radikalen Islamisten kämpfen, Kritik aus. Die türkische Regierung könnte aus innenpolitischen Zielen versuchen, die Nato in den Konflikt mit den Kurden zu verwickeln.
Auf den Terroranschlag in Suruc in der vergangenen Woche mit mehr als 30 Toten reagierte die Türkei mit Härte. F16-Bomber flogen Angriffe auf IS-Stellungen in Syrien, was einen Wendepunkt in der Syrien-Strategie der Türkei bedeutete.

USA und Türkei planen „IS-freie Zone“ in Syrien
Die Türkei ging endlich auf den Wunsch der USA ein, einen größeren Beitrag zum Kampf gegen IS zu leisten. Bislang leistete die Türkei nur logistische Unterstützung. Während Ankara früher alle Konflikte in den Grenzgebieten dem syrischen Präsidenten Baschar al-Assad vorwarf, wurden jetzt erstmals die Islamisten an den Pranger gestellt.
Dennoch werden die türkischen Luftangriffe auf IS-Stellungen den Kriegsverlauf kaum beeinflussen. Viel effektiver wäre eine Bodenoperation der türkischen Armee. Sie würde das Kräfteverhältnis an der syrischen Front ändern und den IS in Bedrängnis bringen. Doch der türkische Premier Ahmet Davutoglu schloss diese Option erneut aus. Im Gegensatz zu den eher symbolischen Luftangriffen würden Bodengefechte gegen den IS schwere Verluste zur Folge haben.

Türkei schließt neue Angriffe in Syrien nicht aus
Darüber hinaus zweifeln Experten daran, dass der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan tatsächlich den IS ausschalten will. Bis zuletzt galt das „schiitische Regime“ von Baschar al-Assad als der größere geopolitische Gegner. Die gegen ihn bekämpfenden sunnitischen Islamisten wurden eher als taktische Verbündete wahrgenommen.
Davutoglu zufolge gab es keine negativen Reaktionen der „wichtigsten Befürworter von Damaskus“ — Russland und Iran — auf das neueste Vorgehen. Die jetzige Situation sei bei einem Telefongespräch zwischen den Präsidenten Wladimir Putin und Recep Tayyip Erdogan besprochen worden.
Weitere Maßnahmen der internationalen Koalition werden heute bei einem Sondertreffen, das auf Initiative Ankaras einberufen wurde, der ständigen Nato-Vertreter in Brüssel erörtert. Die Anti-IS-Operation wird nicht das einzige Thema sein. Die Eröffnung einer zweiten Front gegen Kurden stieß auf gespaltene Reaktionen der Nato-Partner. Am Montag warnte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg die türkische Führung vor der Eskalation des Konflikts mit den Kurden. Wichtig sei, dass die Schutzmaßnahmen gegen den Terrorismus nicht den Konflikt eskalieren lassen, so Stoltenberg. Bundeskanzlerin Angela Merkel rief Davutoglu bei einem Telefongespräch ebenfalls dazu auf, den Friedensprozess mit den Kurden nicht zu stoppen.