Bayrischer Rundfunk, 29.07.2015

http://www.br.de/nachrichten/erdogan-pkk-oecalan-100.html

Die türkische Regierung und die PKK
Das Ende des Friedensprozesses

Seit einer Woche greift die türkische Armee mutmaßliche Stellungen der verbotenen Kurdischen Arbeiterpartei an. Und bei diversen Razzien werden viele vermeintliche PKK-Anhänger festgenommen. Und das, obwohl Staatschef Erdogan einst Frieden mit der PKK angestrebt hat. Von Reinhard Baumgarten

Von: Reinhard Baumgarten
Stand: 29.07.2015

Es ist der 21. März 2015. Die kurdische Politikerin Pervin Buldan verliest auf Kurdisch eine Botschaft von PKK-Chef Abdullah Öcalan. Dann die gleiche Botschaft auf Türkisch. Verlesen von HDP-Parteisprecher Sirri Süreyya Önder.

"Es ist historisch bedeutend und notwendig, dass die PKK einen Kongress organisiert, um den seit knapp vierzig Jahren gegen die Republik Türkei geführten bewaffneten Kampf zu beenden."
Sirri Süreyya Önder, Sprecher der pro-kurdischen Oppositionspartei HDP
Die PKK, regt deren inhaftierter Chef Abdullah Öcalan damals an, solle auf diesem Kongress die Niederlegung der Waffen und das Ende des bewaffneten Kampfes beschließen.

"Der Aufruf ist bedeutend und positiv. Entscheidend ist jetzt die Umsetzung. Wir wollen sehen, dass der Aufruf Öcalans in kürzester Zeit befolgt wird. Dann wird sich das Klima in der Türkei und in der Region sofort ändern. Davon bin ich überzeugt."
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan
Eine Friedenskongress, der nie stattfand
Der Aufruf Öcalans wurde nicht befolgt. Der Kongress fand nie statt. Beide Seiten beschuldigen sich gegenseitig, die so genannte Dolmabahçe-Vereinbarung nicht umgesetzt zu haben. Diese Vereinbarung ist ein zehn Punkte umfassender Fahrplan zur Beilegung des Jahrzehnte alten blutigen Konflikts zwischen der Zentralregierung und der PKK. Kernpunkte der Vereinbarung sind unter anderem:

Straffreiheit für PKK-Anhänger, die nicht an Morden oder Terroranschlägen beteiligt waren
Stärkung kommunaler und regionaler Selbstverwaltung in den Kurdengebieten
Gleichstellung der Frau und Schutz kulturellen Erbes
Kurdischer Schulunterricht sowie
Verabschiedung einer neuen demokratischen Verfassung.
Ausgearbeitet wurde diese Vereinbarung von führenden HDP-Politikern und dem stellvertretenden Regierungschef Yalçın Akdoğan, der heute davon spricht, es habe sich nicht um eine Vereinbarung, sondern um eine Diskussionsgrundlage gehandelt. Für Präsident Erdoğan war sie das Ergebnis der demokratischen Öffnung und des Projekts für nationale Einheit und Brüderlichkeit.

"Jetzt befinden wir uns im Lösungsprozess und wir sind bemüht, diesen Prozess erfolgreich abzuschließen."
Davon ist nicht mehr die Rede. Präsident Erdoğan hat gestern erklärt, der Friedensprozess könne nicht mit jenen fortgesetzt werden, die gegen die nationale Einheit seien. Die Wende hat, laut der prokurdischen HDP, mit dem Wahlkampf begonnen und ist schließlich am Wahltag selbst mit dem Einzug der HDP ins Parlament bei gleichzeitigem Verlust der absoluten Mehrheit für die AKP endgültig vollzogen worden.

Der Sprecher von Ergogans Partei AKP, Beşir Atalay, gibt dem Friedensprozess noch eine Chance, aber er nennt klare Bedingungen.

"Wenn die Kämpfer der Terrororganisation die Waffen strecken und das Land verlassen, dann kann der Friedensprozess auch weitergehen."
Der Sprecher der regierenden Partei AKP, Beşir Atalay

Das wird nach Lage der Dinge sobald nicht geschehen. Von Samstag bis Montag wurden türkischen Medienangaben zufolge 185 Einsätze auf gut 400 PKK-Ziele geflogen. Die Schlagzahl wurde seitdem zwar noch erhöht, dürfte die kampferprobten Guerillas aber kaum zur Kapitulation zwingen.