Berliner Zeitung, 03.08.2015

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Türkei und USA errichten Flugverbotszone

Am Montag stürzte ein Kampfjet des syrischen Regimes in Ariha im Norden des Landes ab. Mindestens 31 Menschen kamen ums Leben.

Von Frank Nordhausen

Der Kampf gegen das Assad-Regime soll wirkungsvoller werden. Ankara will einen Staat syrischer Kurden verhindern.

Im Grenzgebiet Syriens zur Türkei wird eine militärisch gesicherte Flugverbots- und Pufferzone gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) eingerichtet. Am Sonntag bestätigte die US-Regierung in Washington entsprechende türkisch-amerikanische Pläne. Laut Berichten des Wall Street Journals und des TV-Senders CNN gab US-Präsident Barack Obama grünes Licht für das Vorhaben und erklärte, dass die US-Luftwaffe diese Region gegen jedwede Angreifer und auch gegen eventuelle Luftangriffe des Regimes von Baschar al-Assad verteidigen werde. Damit wird de facto eine Flugverbotszone zwischen den syrischen Städten Dscharablus und Azaz etabliert werden, die nach türkischen Medienberichten rund 100 Kilometer lang und bis zu 65 Kilometer tief sein soll.

Belastete Allianz

Die Türkei drängt seit dem Beginn des syrischen Bürgerkriegs auf die Einrichtung einer solchen Pufferzone. Ankara verspricht sich davon Entlastung in der Flüchtlingskrise, denn seit 2011 hat das Land rund zwei Millionen syrische Flüchtlinge aufgenommen. Den syrischen Rebellen will die Türkei mit der Zone einen wirkungsvolleren Kampf gegen das Assad-Regime ermöglichen, vor allem aber verhindern, dass die syrischen Kurden einen unabhängigen Staat gründen, der auch auf die türkischen Kurden ausstrahlt. Anders als Obama will der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan eher eine Kurden- als eine IS-freie Zone schaffen.

Die Freund-Feind-Verhältnisse sind unübersichtlich und kompliziert. So belastet der Konflikt mit den Kurden die türkische Allianz mit den USA. Auch am Montag flog die türkische Luftwaffe Angriffe auf Stellungen der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK, die mit der in den syrischen Kurdengebieten regierenden Partei der Demokratischen Union (PYD) verbündet ist. Die syrischen Kurden haben wiederum mit Luftunterstützung der USA im Juni zwei ihrer drei Kantone vereinigt und wollen im Westen nun auch die letzte Lücke schließen. Genau dort liegt die geplante Sicherheitszone, eine Region, die derzeit überwiegend vom IS und zu einem kleineren Teil von Milizen der Freien Syrischen Armee (FSA) kontrolliert wird. Die FSA gilt als moderat, kämpft aber gemeinsam mit islamistischen Gruppen wie der Al-Kaida-nahen Al-Nusra-Front gegen das Assad-Regime.

Gleichwohl musste die US-Luftwaffe laut CNN am Freitag erstmals eine der von ihnen ausgebildeten Rebellengruppen aus der Luft unterstützen, nachdem diese von der Nusra-Front angegriffen worden waren. Nach Berichten türkischer Medien haben die USA wegen ihrer bisherigen Devise, das Assad-Regime nicht direkt zu bekämpfen, ohnehin Probleme, genügend moderate Rekruten zu finden und in der Türkei zu trainieren; laut der Zeitung Zaman sollen bisher statt der angepeilten 5 000 nur rund 60 Rebellen ausgebildet worden sein.

Die geplante Sicherheitszone ist Teil eines Deals Washingtons mit Ankara, wobei die Türkei den USA Nato-Basis Incirlik nahe der syrischen Grenze für Luftangriffe auf Dschihadisten im Irak und in Syrien öffnete. Damit verschieben sich die Kräfteverhältnisse im syrischen Bürgerkrieg erheblich. Doch ist bislang völlig unklar, wer die Sicherheitszone am Boden erobern soll. Da die US-trainierten Rebellen offensichtlich zu schwach sind, sollen 5 000 in der Türkei trainierte Turkmenen aus Syrien den Angriff vortragen, zitierten türkische Medien Präsident Erdogan. Zuvor war von einer solchen Truppe nie die Rede.

Putins Seitenwechsel

Die Regierung in Damaskus hatte stets vor der Einrichtung einer Pufferzone in Nordsyrien gewarnt und mit Angriffen gedroht, aber inzwischen ist das Regime vermutlich nicht mehr dazu in der Lage. Der syrische Diktator Assad hatte kürzlich zugegeben, dass seine Armee Gebiete geräumt habe, weil sie nicht mehr über genug Soldaten zu deren Sicherung verfüge.

Möglicherweise gibt es auch Verhandlungen mit weiteren Akteuren über eine grundsätzliche Lösung des Syrien-Konflikts. Präsident Erdogan erklärte am Wochenende, sein russischer Kollege Wladimir Putin habe ihm bei einem Treffen im Juni mitgeteilt, dass er seine Haltung gegenüber dem Verbündeten in Damaskus geändert habe und jetzt „weit positiver über eine Zukunft ohne Assad“ denke: „Ich glaube, er ist dabei, Assad fallen zu lassen.“ Erdogan sagte nicht, welchen Preis Putin für einen Seitenwechsel fordern würde.

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