junge Welt, 06.08.2015 http://www.jungewelt.de/2015/08-06/051.php »Terroristische Propaganda« Türkei: 18 Journalisten sollen wegen eines Fotos in Haft Wegen des Publizierens eines Fotos einer Geiselnahme mit tödlichem Ausgang in der Türkei hat die Istanbuler Staatsanwaltschaft am Dienstag abend mehrjährige Haftstrafen für 18 angeklagte Journalisten gefordert. Zu den Angeklagten, die für insgesamt neun Zeitungen arbeiten, gehört auch der Chefredakteur der Tageszeitung Cumhüriyet, Can Dundar. Ihm und den anderen Journalisten wird »terroristische Propaganda« vorgeworfen, weil sie bei einer Geiselnahme eines Staatsanwalts im März ein Foto des Täters veröffentlichten, der seinem Opfer eine Pistole an den Kopf hält. Noch während der Geiselnahme war das Foto auch über Internetnetzwerke wie Facebook verbreitet worden. In deutschen Medien war das Bild ebenfalls zu sehen. Der Überfall auf Staatsanwalt Mehmet Selim Kiraz hatte im Frühjahr für Aufsehen gesorgt. Er ermittelte wegen des Todes von Berkin Elvan, einem Jungen, der 2013 bei den Protesten im Gezi-Park von einer Tränengaskartusche der Polizei am Kopf getroffen wurde und einige Monate später starb. Die kommunistische Untergrundorganisation »Revolutionäre Volksbefreiungspartei/-Front« (DHKP/-C) warf dem Juristen vor, die beteiligten Beamten schonen zu wollen. Bei der Polizeiaktion zur Beendigung der Geiselnahme kamen alle Beteiligten und der Staatsanwalt ums Leben. Die genauen Umstände wurde bislang nicht aufgeklärt. Die DHKP/-C wirft den türkischen Sicherheitskräften vor, ihre Aktivisten gezielt erschossen zu haben. Den betroffenen Journalisten drohen nun bis zu siebeneinhalb Jahre Gefängnis. Dundar reagierte mit scharfer Kritik auf die hohe Strafforderung der Staatsanwaltschaft. Seine Zeitung sei gegen »alle terroristischen Organisationen«, erklärte er. Er verwies darauf, dass türkische Medien auch Hinrichtungsvideos von Geiseln des »Islamischen Staats« (IS) ausstrahlten, ohne dass dies zu rechtlichen Konsequenzen führe. Kritiker im In- und Ausland werfen der türkischen Regierung seit längerem vor, die Grenzen der Presse- und Meinungsfreiheit immer enger zu ziehen. Präsident Recep Tayyip Erdogan geht seit seiner Wahl im vergangenen Jahr gerichtlich gegen Journalisten, Aktivisten und Studenten vor, von denen er sich beleidigt fühlt. Zudem wurden immer wieder kurdische und linke Journalisten wegen angeblicher Propaganda für die kurdische PKK inhaftiert. (AFP/dpa/jW)
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