junge Welt, 13.08.2015 http://www.jungewelt.de/2015/08-13/017.php Türkei setzt sich durch Ankara verständigt sich mit Washington über Details der »Schutzzone« in Nordsyrien. Damaskus unter Granatbeschuss Von Karin Leukefeld Rund 50 Mörsergranaten und Raketen haben Kampfgruppen aus dem Umland von Damaskus am Mittwoch morgen auf das Zentrum der syrischen Hauptstadt abgefeuert. Nach Auskunft von Einwohnern der Stadt gegenüber junge Welt schlugen die Geschosse ausschließlich in Wohngebieten wie Bab Tuma, Kassa und auf der belebten Bagdad-Straße ein. Auch andernorts sollen Granaten eingeschlagen sein. Nach Angaben der Polizeibehörde von Damaskus wurden fünf Personen getötet und mindestens 55 verletzt, die Opfer seien vor allem Frauen und Kinder. In Sabadani im Grenzgebiet zu Libanon, wo die syrische Armee mit der libanesischen Hisbollah gegen das dortige Hauptquartier bewaffneter Gruppen vorgeht, trat am Mittwoch eine zweitägige Feuerpause in Kraft. Quellen in Damaskus sprachen gegenüber junge Welt von möglichen Verhandlungen zwischen der Armee und Hisbollah einerseits und der Al-Nusra-Front und anderen islamistischen Gruppen andererseits. Diese hatten in den vergangenen Tagen Tausende Raketen auf die beiden Orte Fuah und Kafarja in der Provinz Idlib abgeschossen, die sie – gemeinsam mit der »Armee der Eroberung« – seit Mitte Mai belagern. Dass auch dort eine zweitägige Waffenruhe ausgerufen wurde, legt die Vermutung nahe, dass auf beiden Seiten nach einem Kompromiss für die jeweils Eingeschlossenen in den Kampfzonen gesucht wird. Während in Zabadani islamistische Kämpfer eingeschlossen sind, werden in Fuah und Kafarja schiitische Einwohner und Angehörige der syrischen Streitkräfte belagert. Wie die Nachrichtenagentur Reuters meldete, haben sich die USA und die Türkei über Details der geplanten »Schutzzone« im Norden Syriens verständigt. Das berichtete am Dienstag der Fernsehsender CNN Türk unter Berufung auf den türkischen Außenstaatssekretär Feridun Sinirlioglu. Das Gebiet an der türkischen Grenze soll demnach 98 Kilometer lang und 45 Kilometer breit sein, darin soll die vom Westen ausgebildete »Neue Syrische Armee« (NSA) die Kontrolle übernehmen. Die USA oder die Türkei würden den »Islamischen Staat« (IS) oder kurdische Kämpfer angreifen, wenn sie in die Zone eindrängen, sagte Sinirlioglu. Al-Nusra-Front und Ahrar Al-Scham, die beide der Al-Qaida angehören, haben sich derweil bereit erklärt, der »Schutzzone« im Norden von Aleppo nicht mehr im Weg zu stehen und sich daraus zurückzuziehen. Damit dürfte die NSA zukünftig von den islamistischen Kämpfern in Ruhe gelassen werden. Die völkerrechtlich nicht legitime »Schutzzone« soll nach Meinung des türkischen Ministerpräsidenten Ahmed Davutoglu nicht nur Basis der US-Kampfverbände werden. Auch Flüchtlinge, die derzeit im Grenzgebiet zu Syrien in der Türkei leben, sollen dorthin abgeschoben werden, sagte Davutoglu der britischen BBC. Der IS solle von der türkischen Grenze ferngehalten werden. Er drangsaliert allerdings aktuell ganz woanders die syrische Bevölkerung. In Karjatain, einem Ort in der zentralsyrischen Provinz Homs, hat die Dschihadistenmiliz in den vergangenen Tagen mehrere hundert Personen entführt, darunter auch eine große Zahl von Christen. Der Versuch Russlands, die regionalen Staaten für den Kampf gegen den IS mit Syrien zu vereinen, ist am Dienstag in Moskau erneut auf Ablehnung gestoßen. Der saudische Außenminister Adel Al-Dschubair sagte bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit seinem russischen Amtskollegen Sergej Lawrow, eine Kooperation mit der syrischen Regierung gegen die Dschihadisten könne »ausgeschlossen« werden. Die Position des Königreiches habe sich »nicht geändert«, erklärte Al-Dschubair: »Es gibt für Assad keinen Platz in der Zukunft Syriens.« Lawrow räumte ein, dass es »schwer überbrückbare Differenzen« zwischen Riad und Moskau gebe. »Der Rücktritt von Präsident Assad ist Teil dieser Differenzen.« Das syrische Außenministerium konterte die Äußerungen des saudischen Außenministers scharf. Die Haltung Al-Dschubairs zeige die »destruktive Rolle des wahhabitischen Königreichs bei der Aggression auf Syrien«, wird eine namentlich nicht genannte »offizielle Quelle« des Ministeriums von der syrischen Nachrichtenagentur SANA zitiert. Das »mittelalterliche saudische Regime« habe »keine konstitutionelle Legitimität«, hieß es weiter. Seine Hände seien »mit dem Blut der syrischen und jemenitischen Zivilisten getränkt«.
|