zeit.de, 12.08.2015

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Türkei schließt Bodentruppen im Kampf gegen den IS nicht mehr aus

Ministerpräsident Davutoğlu will den IS zunächst durch gemäßigte syrische Rebellen bekämpfen lassen. Widersprüchliche Angaben gibt es über eine Pufferzone im Norden.

Der türkische Ministerpräsident Ahmet Davutoğlu schließt im Kampf gegen die Dschihadistenmiliz "Islamischer Staat" (IS) eine Entsendung von Bodentruppen nach Syrien nicht mehr aus. Wenn moderate syrische Rebellen aber die Dschihadisten wirksam bekämpften, gebe es "keine Notwendigkeit für andere Länder, die Türkei eingeschlossen, Bodentruppen zu schicken", sagte Davutoğlu in einem Interview mit dem britischen Sender BBC.

Der türkische Regierungschef hob in dem Interview hervor, dass ein zentrales Ziel der Zusammenarbeit zwischen der Türkei und den USA im Kampf gegen den IS die Schaffung eines "sicheren Gebiets" sei, das frei von IS-Kämpfern sei. Dorthin könne dann ein Teil der 1,8 Millionen syrischen Flüchtlinge in der Türkei zurückkehren. Sie könnten dort leben "ohne jede Angst, angegriffen und getötet zu werden", sagte Davutoğlu.

Die Nato-Partner Türkei und USA hatten Ende Juli die Schaffung einer IS-freien Zone in Nordsyrien vereinbart. Davutoğlu schloss damals den Einsatz türkischer Bodentruppen in dem Nachbarland aus. Kurz vor der Vereinbarung hatte die Türkei, der lange vorgeworfen wurde, den IS zu dulden oder sogar zu unterstützen, erstmals Luftangriffe gegen IS-Stellungen in Syrien geflogen. Außerdem erlaubte sie der US-Armee die schon lange geforderte Nutzung der Luftwaffenbasis Incirlik für Angriffe auf den IS.

Widersprüchliche Angaben gibt es darüber, welchen Stand die Verhandlungen über eine Pufferzone haben. Der Fernsehsender CNN Türk berichtete unter Berufung auf den türkischen Außenstaatssekretär Feridun Sinirlioğlu, dass sich Vertreter der USA und der Türkei auf Details einer Pufferzone in Nordsyrien geeinigt hätten.

Demnach soll die Schutzzone an der türkischen Grenze 98 Kilometer lang und 45 Kilometer breit sein. In dem Gebiet würden Mitglieder der gemäßigten Rebellengruppe Freie Syrische Armee (FSA) auf Streife gehen. Die Streitkräfte der USA oder der Türkei würden den IS oder kurdische Kämpfer angreifen, wenn sie in die Zone eindrängen, sagte Sinirlioğlu.

Die USA dementieren

Die US-Regierung hat diesem Bericht jedoch widersprochen. Es gebe keine Vereinbarung über irgendeine Art von Zone, sagte ein Sprecher des Außenministeriums in Washington. Der US-Außenamtssprecher sagte, es gehe darum, die Extremistenmiliz "Islamischer Staat" aus der Region zu vertreiben. Amerikanische Diplomaten hatten jüngst erklärt, die Verhandlungen über die Pufferzone dauerten an.

Der IS hat weite Teile Syriens eingenommen und ist zur mächtigsten Rebellengruppe im syrischen Bürgerkrieg geworden. Am Dienstag startete er nahe der türkischen Grenze eine weitere Offensive.

Die Türkei und die USA hoffen, die Extremisten mithilfe von gemäßigten Rebellen von der Grenze zu vertreiben. Diplomaten zufolge sollen 60 von den USA ausgebildete Kämpfer den Kern der Truppe bilden und bei Bedarf Luftangriffe anfordern. Bisher konnten die internationalen Attacken auf den IS wenig ausrichten.

Auch diplomatische Bemühungen um eine Beilegung des Konfliktes verlaufen schleppend. So konnten sich am Dienstag Vertreter von Russland und Saudi-Arabien nicht auf einen gemeinsamen Standpunkt zum syrischen Präsidenten Baschar al-Assad einigen. Während Russland für eine internationale Allianz gegen den sunnitischen IS unter Einbeziehung Assads ist, lehnt Saudi-Arabien dies ab. "Für Assad gibt es in der Zukunft Syriens keinen Platz", sagte Außenminister Adel al-Dschubeir. Saudi-Arabien ist sunnitisch geprägt, während Assad den Alawiten angehört, die den Schiiten nahestehen. Er wird vom saudiarabischen Rivalen Iran unterstützt.