FAZ, 13.08.2015 http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/naher-osten/buergerkrieg-syrien-bemuehungen-um-frieden-13749227.html Debatte über Syriens Zukunft Der Diktator stört nicht mehr so sehr Das Assad-Regime ist geschwächt. Im Kampf gegen den IS wird ein Ende des syrischen Bürgerkriegs deshalb immer dringlicher. Doch trotz diplomatischer Bemühungen geht wenig voran. Nun schaltet sich Moskau ein. von Christoph Ehrhardt, Beirut Christoph Ehrhardt Autor: Christoph Ehrhardt, Korrespondent für die arabischen Länder mit Sitz in Beirut. Folgen: Irans Außenminister Dschawad Zarif und Syriens Präsident Assad diskutieren in diplomatischer Runde ein mögliches Ende des syrischen Bürgerkriegs. Die Ankündigungen sind vage, die gegenseitige öffentliche Kritik scharf. Doch hinter den Kulissen geht es bei den regen diplomatischen Bemühungen, einen Weg aus dem syrischen Bürgerkrieg zu finden, offenbar ergebnisorientierter zu. Am Mittwoch war der iranische Außenminister Dschawad Zarif in Damaskus zu Gast und sprach mit seinem Verbündeten, dem syrischen Diktator Baschar al Assad. Er war aus dem Libanon angereist, wo er den arabischen Rivalen Teherans die Hand zur „Kooperation“ und zum „Austausch von Ideen“ gereicht hatte. In Damaskus sagte Zarif an die arabischen Golfstaaten - allen voran Saudi-Arabien - gerichtet: „Ich sage den anderen Akteuren und den Nachbarn, dass es Zeit ist, sich der Wahrheit zu stellen, auf die Wünsche des syrischen Volkes zu antworten und den Extremismus, Terrorismus und Konfessionalismus zu bekämpfen.“ Auch Assads Informationsminister Omran an Zoubi kritisierte am Donnerstag in der Staatspresse die Politik Riads: „Wie kann die Syrien-Krise gelöst werden, wenn Saudi-Arabien weiter Terroristen, Waffen und Geld nach Syrien schickt?“, fragte er. Seine Kritik hatte sich an den Äußerungen des saudischen Außenministers Adel Dschubeir entzündet. Er hatte am Dienstag während eines Besuches in Moskau die russischen Versuche, eine Anti-Terror-Allianz gegen den „Islamischen Staat“ (IS) zu schmieden unter Einschluss Assads abgeblockt. „Assad ist Teil des Problem, nicht Teil der Lösung“, hatte Dschubeir gesagt und der russische Außenminister Sergej Lawrow hatte festgestellt, dass es vor allem in einem Punkt Differenzen gibt: In der Frage nach der Zukunft des Diktators in Damaskus. Vorhaben der „Kooperation“ oder „Koordination“ von Moskau und Riad wurden eher in weichen Formulierungen angekündigt, etwa im Kampf gegen den Terrorismus oder dabei, herauszufinden, was die Assad-Gegner für Vorstellungen von der Zukunft ihres Landes haben. Vertreter verschiedener Gruppen - nicht nur der vom Assad-Regime eingehegten Pseudoopposition - sind in die russische Hauptstadt eingeladen worden. Am Donnerstag stellte dort der Chef der Syrischen Nationalen Koalition, Khaled Khoja, klar: „Wenn wir den Terrorismus bekämpfen wollen, müssen wir seine Ursachen bekämpfen, vor allem das Regime.“ Selbst erbitterte Gegner beharren nicht mehr auf Assads Sturz Dass arabische Zeitungskommentatoren und westliche Diplomaten trotz solcher Aussagen eine Bereitschaft zur Lösung des Konflikts erkennen wollen, hat maßgeblich mit den jüngsten Aktivitäten Moskaus zu tun. Es wird vermutet, dass Washington und Moskau nach der Einigung im Atomstreit mit Iran nun andere Probleme in der Region angehen. Die „New York Times“ zitierte unlängst einen amerikanischen Regierungsmitarbeiter mit den Worten: „Es ist ermutigend, aber wir sind noch weit voneinander entfernt.“ Der kleinste gemeinsame Nenner ist der Kampf gegen den IS. Angesichts der Stärke der dschihadistischen Gruppen in Syrien herrscht auch die Sorge, das Assad-Regime könnte unkontrolliert zusammenbrechen - ohne, dass es schon eine Alternative gibt. Auch Riad, das seinen Anteil an den jüngsten Geländegewinnen islamistischer Rebellen im Norden Syriens hat, dürfte daran kein Interesse haben. Ein baldiger Sturz des Assad-Regimes scheint allerdings ebenso unwahrscheinlich wie ein diplomatischer Durchbruch, auch wenn Regierungsmitarbeiter in Washington oder London wissen lassen, Russland sei angesichts der militärischen Lage Assads besorgt. Aber die Haltung der Konfliktparteien scheint in einigen Punkten aufzuweichen: Selbst erbitterte Assad-Gegner wie Saudi-Arabien beharren nicht mehr auf einem sofortigen Sturz des syrischen Machthabers, sondern wären auch mit einer schrittweisen Lösung einverstanden. Das könnte die Chance auf einen Kompromiss bergen. Viele der Konfliktparteien seien erschöpft, sagen Diplomaten. So scheint auch das
bedrängte Assad-Regime neue Möglichkeiten auszuloten. Vergangene Woche
war Außenminister Walid Muallim in Oman, nachdem er sich in Teheran mit
iranischen und auch russischen Vertretern getroffen hatte. Oman unterhält
gute Verbindungen sowohl zu Iran als auch zu den arabischen Rivalen Teherans
am Golf. Großes Aufsehen hatte unlängst der Besuch des syrischen Geheimdienstkoordinators
Ali Mamluk in Riad erregt, der nach unbestätigten Berichten auf russische
Bemühungen hin zustande gekommen sein soll. Moskau arbeitet schon länger
an seinen Beziehungen zu Saudi Arabien. Auf dem Schlachtfeld geht das
Blutvergießen jedoch unverändert weiter. Nur aus der Stadt Zabadani im
Grenzgebiet zum Libanon kamen gute Nachrichten. Dort kämpfen islamistische
Rebellen gegen Truppen des Regimes, die libanesische Hizbullah und andere
schiitische Milizionäre. Nun meldeten Aktivisten, ein Waffenstillstand,
der auf türkisch-iranische Vermittlung vereinbart worden sei, werde eingehalten.
Er soll bis Samstag bestehen.
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