Frankfurter Rundschau, 13.08.2015

Militärische Intervention in Syrien?

Von Frank Nordhausen

Während das US-Außenministerium in Washington vehement verneint, eine militärische Pufferzone entlang der türkischen Grenze zu errichten, bereitet die Türkei offenbar eine militärische Intervention in Syrien vor.

Niemand hat vor, eine Sicherheitszone zu errichten – so reagierte das US-Außenministerium in Washington auf Medienberichte über eine militärische Pufferzone entlang der türkischen Grenze. Doch während Washington die Pläne herunterspielt, drückt Ankara aufs Tempo und bereitet offenbar eine militärische Intervention in Syrien vor.

Erstmals schloss der türkische Ministerpräsident Ahmet Davutoglu den Einsatz von Bodentruppen gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) in Syrien nicht mehr aus. Davutoglu sagte am Dienstag in einem BBC-Interview zwar, wenn moderate syrische Rebellen die Dschihadisten wirksam bekämpften, gebe es „keine Notwendigkeit für andere Länder, die Türkei eingeschlossen, Bodentruppen zu schicken“. Zugleich erklärte er, dass die Nato-Partner USA und Türkei sich auf eine Sicherheitszone geeinigt hätten, in der Ankara einen Teil der rund zwei Millionen syrischen Flüchtlinge in der Türkei unterbringen will.

Davutoglus Wende überrascht nicht. Sie ist die Folge des türkischen Strategiewechsels im Umgang mit dem IS, dessen Präsenz Ankara entlang der Grenze lange duldete. Nach dem verheerenden Terroranschlag eines IS-Anhängers in der türkischen Grenzstadt Suruç vor drei Wochen hatte die Türkei erstmals Luftangriffe gegen IS-Stellungen in Syrien geflogen. Außerdem erlaubte sie der US-Armee die schon lange geforderte Nutzung der Nato-Luftwaffenbasis Incirlik für Angriffe auf den IS und vereinbarte mit Washington die Einrichtung einer IS-freien Zone in Nordsyrien. Beide Seiten kamen überein, dass „moderate“, in der Türkei trainierte Rebellen am Boden gegen den IS kämpfen sollen, außerdem laut türkischen Medien eine angeblich bis zu 5000 Mann starke Truppe türkischstämmiger Turkmenen aus Syrien.

Die Türkei legt die Abmachung wesentlich weiter aus als die USA. So erklärte der türkische Außenstaatssekretär Feridun Sinirlioglu laut einem Bericht des US-Senders CNN am Dienstag, dass sich Vertreter der USA und der Türkei auf Details der Pufferzone in Nordsyrien geeinigt hätten. Sie soll demnach 98 Kilometer lang und 45 Kilometer breit sein. Sinirlioglu sagte, die Streitkräfte der USA oder der Türkei würden den IS, aber auch kurdische Kämpfer angreifen, wenn sie in die Zone eindrängen.

Wie bei den ersten Erklärungen Ankaras zur „Sicherheitszone“ widersprach die US-Regierung auch den neuen Berichten. Es gebe keine Vereinbarung über irgendeine Art von Zone, sagte ein Sprecher des US-Außenministeriums, es gehe nur darum, den IS aus der Region zu vertreiben.

Die in dem Gebiet operierenden Rebellen stellen sich allerdings auf die künftige Pufferzone ein. Während die mit der Türkei verbündete Islamistenmiliz Ahrar al-Sham den Plan begrüßte, übte die Al-Kaida-nahe Al-Nusra-Front Kritik daran, gab aber bekannt, dass sie von ihr kontrollierte Stellungen im Norden Aleppos anderen Rebellen übergeben werde; man habe kein Interesse daran, eine Rolle in einer von der Türkei unterstützten Militäroperation zu spielen. Man will sicher auch nicht zwischen die Fronten geraten, denn Al-Nusra unterhält zwar Kontakte mit der Türkei, wird aber von den USA als Terrorgruppe eingestuft und bekämpft. So bombardierten US-Kampfjets am Dienstag ein Waffendepot einer mit Al-Nusra verbündeten Rebellengruppe in der nordsyrischen Provinz Idlib, töteten nach Rebellenangaben auch Zivilisten – und brachten die Türkei damit in Erklärungsnot. Das türkische Außenministerium beeilte sich zu versichern, dass die Angriffe nicht von Incirlik aus geflogen worden seien.

Der IS, der den größten Teil der vorgesehenen Pufferzone kontrolliert, hebt bereits Schützengräben aus. Am Dienstag griffen IS-Kämpfer die strategisch wichtige Kleinstadt Marea bei Azaz mit Selbstmordattentätern an und töteten mindestens 25 Menschen. Sollten türkische Bodentruppen intervenieren, erwartet sie in den Dörfern und Kleinstädten ein harter Straßenkampf. Das Vorhaben ist in der Türkei extrem unpopulär. Laut kürzlichen Umfragen lehnen mindestens 67 Prozent der Türken ein Eingreifen in Syrien ab.
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