Neues Deutschland, 20.08.2015

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Von Karin Leukefeld

Kurden-Chef will keine Experimente

Regionales Parlament in Autonomieregion Nordiraks zerstritten über Amtsverlängerung von Präsident Barzani

Die Präsidentschaftswahlen in Irakisch-Kurdistan könnten ausfallen - wenn es nach Amtsinhaber Barzani geht. Damit sind aber nicht alle einverstanden.

Der Präsident der Kurdischen Autonomieregion im Nordirak, Mesud Barzani, könnte per Sonderentscheidung zwei weitere Jahre im Amt bleiben, obwohl seine seit 2013 dauernde Amtszeit ausgelaufen ist. Die Präsidentschaftswahlen, die für den gestrigen Mittwoch vorgesehen waren, wurden abgesagt. Stattdessen sollte das Parlament einer erneuten Amtsverlängerung Barzanis für zwei Jahre zustimmen.

Bereits am Montag hatte Nariman Talib, Sprecher des Justizministeriums der Kurdischen Regionalregierung in Erbil mitgeteilt, dass der Rechtsausschuss des Kabinetts eine zweijährige Verlängerung von Barzanis Amtszeit beschlossen habe. Die Situation in Irak und den kurdischen Gebieten sei vom Krieg gegen den Islamischen Staat (IS) geprägt, und Barzani solle so lange im Amt bleiben, bis die Region und das Land wieder stabil genug für Wahlen sei, hieß es in Erbil.

Ähnlich sahen das offenbar Vertreter der US-Regierung und Großbritanniens, die bei der vorbereitenden Parteiensitzung am Dienstag wohl ziemlichen Druck auf die Anwesenden ausgeübt hatten. Das berichtete der Generalsekretär der Partei der Demokratischen Sozialisten Kurdistans, Muhammad Haji Mahmud dem kurdischen Sender Rudaw. Sie seien sowohl von den USA und Großbritannien als auch von UN-Vertretern »sowohl beraten als auch gewarnt« worden, sagte Mahmud.

»Sie sagten, jetzt sei nicht die richtige Zeit, um Reformen einzuleiten, weil Kurdistan mit IS konfrontiert sei und sich daher nicht um andere Sache kümmern könne«, so der Politiker. »Die Vertreter Großbritanniens und der USA sagten uns, dass die Kurden keine weitere Unterstützung im Kampf gegen IS erhielten, sollten sie sich von innerkurdischen Themen ablenken lassen.«

Anfang der Woche hatte sich bereits der irakische Präsident Fuad Masum in Erbil mit Barzani und Vertretern anderer kurdischer Parteien getroffen, um die Frage der Präsidentschaftswahlen zu erörtern, sagte sein Sprecher Khalid Shwani. Sein erster Gesprächspartner sei dabei Nawshirwan Mustafa gewesen, der Gründer der oppositionellen Gorran-Bewegung, die heute die zweitstärkste politische Kraft in der kurdischen Autonomieregion ist.

Hintergrund der hitzigen Debatte über die Präsidentschaft der nordirakischen Kurden ist neben der offensichtlichen internationalen Einmischung auch, dass die Dauer der Amtszeit des kurdischen Präsidenten nicht festgelegt ist. Das 2005 in Kraft getretene Gesetz schreibt lediglich vor, dass eine Amtszeit vier Jahre dauert. Sollte das Amt des Präsidenten unbesetzt sein, übernehme der Parlamentssprecher die Geschäfte. Innerhalb von 60 Tagen sollen dann Präsidentschaftswahlen stattfinden.

Barzani war erstmals 2005 zum Präsident der Kurdischen Autonomieregion gewählt worden. Bei der darauffolgenden Wahl 2009 hatten die nordirakischen Kurden erstmals direkt den Präsidenten wählen können, erneut Barzani. Als seine Amtszeit 2013 auslaufen sollte, hatte die Patriotische Union Kurdistans (PUK) der einmaligen Verlängerung von Barzanis Amtszeit um zwei Jahre zugestimmt, um ihren Machtkampf mit der Kurdischen Demokratischen Partei so aufzulösen. Barzani sollte weiter Präsident in Erbil, und Jelal Talabani, damals Vorsitzender der PUK, sollte weiter Präsident in Bagdad bleiben. Diese Verlängerung läuft am heutigen Donnerstag aus.

Die Gorran-Bewegung (Bewegung für Wandel) scheint aufgrund der politischen Lage zu einem Kompromiss zugunsten Barzanis bereit. Grundsätzlich will die Partei aber, dass das Präsidentschaftsamt lediglich repräsentative Funktionen haben soll. Die politische Macht müsse beim Parlament liegen, um zu verhindern, dass einzelne Personen - wie der Präsident - zu viel Macht auf sich vereinen können. Auch wenn nur wenige Parteienvertreter und Abgeordnete es bisher wagten sich dazu zu äußern, dürften sie doch in ihrer Mehrheit dem Gorran-Vorschlag zustimmen. Derzeit ist der Präsident der mächtigste Mann im kurdischen Autonomiestaat in Irak.