spiegel.de, 01.09.2015

http://www.spiegel.de/politik/ausland/tuerkei-razzia-gegen-medienkonzern-a-1050876.html

Türkei: Großrazzia gegen regierungskritischen Medienkonzern

Die türkische Regierung setzt vor den Wahlen offenbar kritische Medien unter Druck. Jetzt gab es eine Großrazzia bei einem Medienkonzern - angeblich wegen Unterstützung einer Terrororganisation.

Die türkische Polizei ist gegen die Koza Ipek Holding, einen regierungskritischen Medienkonzern, vorgegangen.

Insgesamt seien 23 Firmen wegen Unterstützung einer Terrororganisation durchsucht worden, berichtete die regierungsnahe Nachrichtenagentur Anadolu. Darunter seien Redaktionsgebäude in der Hauptstadt Ankara gewesen. Auch Privatwohnungen der Inhaberfamilie sowie eine zum Konzern gehörende Universität wurden durchsucht

Das Unternehmen gibt unter anderem die regierungskritische Zeitung "Bugün" heraus, ist aber auch in anderen Branchen wie dem Energiemarkt tätig. Die Holding steht der Bewegung um Prediger Fethullah Gülen nahe. Konkret wird dem Konzern nach Angaben von Anadolu vorgeworfen, die "Terrororganisation" der Gülen-Anhänger finanziert und unterstützt zu haben.

Gülen war einst ein enger Verbündeter des Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan. Inzwischen wirft Erdogan dem im US-Exil lebenden Prediger vor, Polizei und Justiz unterwandert zu haben und die türkische Regierung stürzen zu wollen.

Die Razzia sei ein Versuch, die Presse zum Schweigen zu bringen, erklärte Erhan Basyurt, Chefredakteur der zum Konzern gehörenden Zeitung "Bugün", auf Twitter. Das Blatt hatte in seiner Dienstagsausgabe über angebliche Waffenlieferungen aus der Türkei an die Dschihadistenmiliz "Islamischer Staat" (IS) in Syrien berichtet.

Die Aktion gegen "Bugün" und den Konzern kam nicht völlig überraschend. Ein anonymer Informant aus den Reihen der türkischen Führung, der sich "Fuat Avni" nennt und auf Twitter schon häufig Aktionen Erdogans gegen seine Kritiker vorausgesagt hat, hatte in den vergangenen Wochen über einen bevorstehenden Versuch des Präsidenten berichtet, regierungskritische Medien vor der Parlamentsneuwahl im November unter Druck zu setzen.

Kritiker innerhalb und außerhalb der Türkei werfen der Regierung in Ankara vor, die IS-Miliz im türkisch-syrischen Grenzgebiet lange geduldet oder sogar unterstützt zu haben, was die Regierung bestreitet. Der Chefredakteur der Oppositionszeitung "Cumhuriyet", Can Dündar, war nach Berichten über Waffenlieferungen an die Dschihadisten von Erdogan persönlich verklagt worden.