welt.de, 02.09.2015

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Kommentar

Pressefreiheit auf Türkisch

Von Deniz Yücel

Früher war es einfach: Journalisten, die kritisch über Vorgänge in den kurdischen Gebieten berichteten, handelten sich schnell den Vorwurf der Unterstützung der PKK, der Arbeiterpartei Kurdistans, ein. Neuerdings aber bekämpft die Türkei (Link: http://www.welt.de/themen/tuerkei-reisen/) irgendwie vielleicht nun doch die Terrormiliz Islamischer Staat. Jetzt muss sie nur noch die Zweifel an der Glaubwürdigkeit dieses Kampfes beseitigen. Am Donnerstag wurden die britischen Journalisten Jake Hanrahan und Philip John Pendlebury, ihr Übersetzer Muhammed Nöbetci sowie ein Fahrer unter dem Vorwurf der Unterstützung einer Terrororganisation in Diyarbakir festgenommen. Der Fahrer ist wieder auf freiem Fuß, während die Journalisten und der Übersetzer, die für die New Yorker Mediengruppe Vice News arbeiten, verhaftet wurden.

Ein Gericht entschied, dass sie bis zu ihrem Prozess in Haft bleiben müssen. Vorgeworfen wird ihnen die Unterstützung des IS – und der PKK. Dass die PKK in Syrien wie im Irak erbittert gegen den IS kämpft, scheint sich nicht bis zum Gericht herumgesprochen zu haben. Es scheint, als wollten die Richter die Lesart der türkischen Regierung stützen, wonach der IS und die PKK dasselbe seien, und könnten auf Petitessen wie mangelnde Beweise keine Rücksicht nehmen – ebenso wenig wie auf den Protest von Amnesty International oder der britischen Regierung.

"Der Vorwurf ist vollkommen haltlos", sagt Tahir Elci als Vorsitzender der Anwaltskammer von Diyarbakir. Die einzige dauerhaft in Diyarbakir lebende ausländische Journalistin ist Frederike Geerdink. Im Frühjahr wurde die Niederländerin wegen "Propaganda für eine Terrororganisation" festgenommen. "Ich hatte Glück", sagt sie. "Auch die Kollegen haben Glück im Unglück. Hinter ihnen steht ihre Regierung. Es gibt eine internationale Öffentlichkeit. Die kurdischen Journalisten in den Gefängnissen haben diese Unterstützung nicht."

Im Konflikt zwischen dem Staat und der PKK sind in den letzten Wochen rund 70 Sicherheitskräfte, mehrere Dutzend Zivilisten und eine unbekannte Anzahl von PKK-Kämpfern ums Leben gekommen. Zugleich wächst der Druck auf die Presse. Aus Protest dagegen erschien am Dienstag die säkular-nationalistische Zeitung "Sözcü" mit leeren Kolumnenspalten. Zugleich durchsuchte die Polizei die Räume der Ipek Holding, dem die Zeitung "Bugün" und die Fernsehsender Kanaltürk und Bugün TV gehören. Der Konzern steht im Ruf, der Bewegung des gemäßigten islamischen Predigers Fethullah Gülen nahezustehen, einst Verbündeter von Staatspräsident Erdogan und heute dessen Intimfeind. Begründung: "Unterstützung der Fethullahistischen Terrororganisation (FETÖ)". Noch so ein Witz, der keiner ist.