Der Standard, 06.09.2015

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Iran fordert gemeinsamen Kampf gegen IS

Zarif übt scharfe Kritik an EU-Flüchtlingspolitik – Damaskus kritisiert Frankreich und Großbritannien wegen Angriffsplänen

Teheran – Der iranische Präsident Hassan Rohani hat die Jihadistenmiliz "Islamischer Staat" (IS) für das Leid der vielen syrischen Flüchtlinge verantwortlich gemacht. Das Problem müsse daher an der Wurzel gepackt und gelöst werden. "Das macht mehr denn je einen gemeinsamen Kampf gegen die IS-Terroristen notwendig", sagte Rohani am Sonntag.

Der Iran wolle zusammen mit Russland und einem neuen Friedensplan für Syrien diese Tragödie beenden. Über interne Verhandlungen und demokratische Wahlen soll danach eine nationale Versöhnung in dem Bürgerkriegsland ermöglicht werden. Der Iran und Russland sind die letzten Verbündeten der syrischen Regierung von Präsident Bashar al-Assad.

"Menschliche Verpflichtung"

Es sei eine menschliche Verpflichtung aller Staaten, diesen heimatlosen Menschen zu helfen, sagte Rohani. Er lobte Länder wie Deutschland, die sich für die Rettung der Flüchtlinge einsetzen. "Die anderen Länder sollten ihren Standpunkt diesbezüglich korrigieren", sagte er bei einem Treffen mit dem neuen ungarischen Botschafter in Teheran. Laut Rohani sollten sich besonders die Europäer auch an ihr eigenes Schicksal vor und nach den beiden Weltkriegen erinnern.

Rohani berichtete dem ungarischen Diplomaten auch von den Millionen afghanischen Flüchtlingen, die der Iran trotz eigener Probleme in den 1980er-Jahren beherbergt hat. Nach der Invasion der Sowjetunion in Afghanistan waren damals die Menschen scharenweise in den benachbarten Iran geflohen. Zu dem Zeitpunkt führte der Iran gleichzeitig auch einen Krieg gegen das irakische Regime von Saddam Hussein.

Kritik an Flüchtlingspolitik

Der iranische Außenminister Mohammed Javad Zarif übte heftige Kritik an der Flüchtlingspolitik einiger EU-Länder. "Wir im Iran haben damals Millionen Afghanen aufgenommen, nun haben einige Länder Probleme mit der Aufnahme einer kleinen Anzahl von Menschen in höchster Not", sagte er.

Zarif warf dem Westen und einigen Ländern in der Region vor, mit einer falschen Politik in Syrien den Weg für Gewalt, Krieg und besonders den Vormarsch der Terrormiliz freigemacht zu haben. Das jetzige Flüchtlingsdrama zeige, dass diese Politik niemandem in der Welt genützt habe, sagte Zarif bei einer Pressekonferenz in Teheran.

Großbritannien und Frankreich erwägen unterdessen eine Beteiligung am US-Militäreinsatz in Syrien. Auch der britische Finanzminister George Osborne sagte, das Problem müsse an seiner Wurzel angegangen werden. Diese seien jedoch die "böse Führung um Syriens Präsident Bashar al-Assad" sowie der IS. Frankreichs Präsident Francois Hollande will sich am Montag dazu äußern.

Als Reaktion auf die Überlegungen warf Syrien Frankreich und Großbritannien eine "kolonialistische" Einstellung vor. Das syrische Außenministerium kritisierte die britischen Überlegungen in einem Brief an die Vereinten Nationen scharf. Es handle sich um eine Einmischung in syrische Angelegenheiten, zitierte die amtliche Nachrichtenagentur SANA. (APA, 6.9.2015)