ndr.de, 15.09.2015

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Türkei: Pro-kurdische Reporterin abgeschoben

Die niederländische Journalistin Frederike Geerdink. © Frederike Geerdink Fotograf: Arjan Zwart
Wegen kritischer Berichterstattung ausgewiesen: Frederike Geerdink.

Die Journalistin Frederike Geerdink ist in einer Art Nacht-und-Nebel-Aktion aus der Türkei ausgeflogen worden. Direkt aus türkischer Abschiebehaft wurde sie in die Niederlande gebracht. Damit entledigt sich das Regime Recep Tayyip Erdogans einer unbequemen und kritischen Berichterstatterin im Kurdengebiet.

Seit Tagen eskaliert dort wieder der türkisch-kurdische Konflikt: Neue Kämpfe zwischen Kurden und türkischen Soldaten, über die mehrheitlich von Kurden bewohnte Stadt Cizre wurde eine eine mehrtägige Ausgangssperre verhängt, die dortige Bürgermeisterin ohne Neuwahlen des Amtes enthoben.
Seit neun Jahren in der Türkei

Frederike Geerdink lebte in der kurdisch-türkischen Metropole Diyarbakir. Auf ihrer Internetseite beschreibt sie sich als einzige ausländische Journalistin, die aus dem türkisch-kurdischen Gebiet berichtet. Die Niederländerin schreibt für internationale Medien wie "The Independent", die BBC, "De Volksgrant". "Kurdish Matters", so der Name ihres Blogs.

Seit neun Jahren lebt sie in der Türkei, zuerst in Istanbul, dann zog es sie nach Diyarbakir ins kurdische Gebiet. "Ich war stets an Themen über Menschenrechte interessiert. Aber zuerst wollte ich die Türkei kennenlernen. Ich wollte die türkische und die kurdische Perspektive verstehen. Ich wollte der Frage auf den Grund gehen, weshalb die Türken Kurden als ihre Brüder und Schwestern bezeichnen, dann aber auf sie losgehen."

Für ihre Berichterstattung aus dem Kurdengebiet versuchte sie stets auch die türkische Seite zu befragen, erzählt sie ZAPP, sei aber dabei auf Mauern des Schweigens gestoßen. Stattdessen wurde sie gleich mehrfach verhaftet. Dass Erdogan kritische Journalisten ins Gefängnis steckt, unliebsame Internetseiten sperrt und zensieren lässt, ist nicht neu. Neu ist allerdings die aktuelle Eskalationsstufe - der Grad eingeschränkter Pressefreiheit - ausgelöst durch den neu entflammten Kurden-Konflikt.

Angriffe auf Zeitungen und Verlage

In der vergangenen Woche attackierten Erdogan-Anhänger das Zeitungshaus der "Hürriyet" und bewarfen es mit Steinen. Aktuellster Fall ist der der Regierungskritischen Zeitschrift "Nokta" (der "Punkt"). Die Polizei rückte aufgrund eines noch nicht veröffentlichten Titelbildes an, das ein grinsendes Selfie von Präsident Recep Tayyip Erdogan zeigt, vor dem in eine türkische Flagge gehüllten Sarg eines gefallenen Soldaten - eine Fotomontage als deutliche Kritik am Staatsoberhaupt und dessen Kurs, das Land in einen Krieg gegen die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK zu steuern.

Die Türkei steht vor Neuwahlen im November. Bis dahin will Erdogan offensichtlich jede Kritik an seiner Person, seiner Partei (AKP) und deren Politik unterdrücken. Frederike Geerdink kann jetzt nur aus der Ferne recherchieren.