Die Presse, 16.09.2015

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Syrien: Kreml bot Assads Rücktritt an

Russland soll vor drei Jahren bereit gewesen sein, Syriens Präsidenten fallen zu lassen. Das berichtet Ex-Vermittler Ahtisaari.

Damaskus. Es nahte der erste Jahrestag des Aufstands gegen Bashar al-Assad, der sich längst zum Krieg ausgewachsen hatte. Noch waren aber keine 15.000 Menschen in die Türkei geflüchtet. Heute sind es über drei Millionen. 7500 Menschen waren damals dem Konflikt zum Opfer gefallen. Mittlerweile zählt dieser Krieg geschätzte 220.000 Tote. Hektisch suchte man in diesem Frühjahr 2012 unter dem Banner der Vereinten Nationen nach einer Kompromissformel zwischen den Rebellen und dem Regime. Etwas verkürzt scheiterten die Gespräche später daran, dass Regimegegner und der Westen den Abgang von Syriens Machthaber Bashar-al-Assad als Bedingung setzten. Das lehnt dessen Verbündeter Russland bis heute öffentlich ab.

Der in die Verhandlungen involvierte finnische Ex-Präsident Martti Ahtisaari bricht nun aber mit der Darstellung, wonach Moskau damals bedingungslos an Syriens Präsidenten festgehalten habe. Demnach soll Russland in Geheimgesprächen sogar angeboten haben, Assad im Rahmen eines Friedensplans fallen zu lassen. Der Westen habe das ignoriert, sagt Ahtisaari, der wegen seiner Vermittlerrolle in Konflikten rund um den Globus 2008 den Friedensnobelpreis erhalten hat. Konkret habe Russland den Vorschlag um den 23. Februar 2012 unterbreitet, als Ahtisaari mit den Gesandten der fünf UN-Vetomächte Gespräche in New York führte. Der russische UN-Botschafter Witali Tschurkin habe ihm gegenüber einen Drei-Punkte-Plan dargelegt und das später auch wiederholt: „Erstens: keine Waffen an die Opposition; zweitens: einen Dialog zwischen Assad und den Rebellen ermöglichen – und drittens: einen eleganten Weg für Assad finden, zurückzutreten.“ Washington, London und Paris seien aber überzeugt gewesen, dass Syriens Präsident ohnehin binnen Wochen stürzen würde – und hätten nicht reagiert. "Es war eine vergeben Chance 2012“, sagt der 78-jährige Finne. Und mit Blick auf die Flüchtlingskrise meint er: „Jetzt zahlen wir den Preis.“

Tschurkin erklärte im „Guardian“ wortkarg, es habe sich damals um eine private Konversation gehandelt. Aber Athtisaari ist sicher: Der russische Diplomat wählte seine Worte nicht zufällig. Es sei ein Auftrag aus dem Kreml gewesen. Der ehemalige britische Diplomat Sir John Jenkins meint hingegen im „Guardian“, Russland habe damals stets abgelehnt, über das Schicksal Assads nur zu verhandeln. Auch im UN-Sicherheitsrat wurde jede Resolution gegen den Chef im Damaszener Präsidentenpalast von der russischen Vetomacht blockiert, die derzeit Assads Regime militärisch aufrüstet. (strei)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.09.2015)