Neue Zürcher Zeitung, 16.09.2015

http://www.nzz.ch/international/naher-osten-und-nordafrika/was-will-moskau-in-syrien-1.18613876

Worum es Moskau in Syrien geht

Moralspritze für Asad

Moskau will Asad nicht nur militärisch unterstützen. Es gilt auch, die Moral an der politischen Basis des Regimes zu stärken.

von Jürg Bischoff

Die Berichte über eine substanzielle Aufstockung der russischen Militärhilfe an das syrische Regime werden langsam konkreter, ohne dass aber klar wird, wie weit Moskau gehen will. Der Ausbau des Flughafens von Latakia zeigt jedenfalls, dass dieser zu einem Drehkreuz der russischen Hilfe an Syrien werden soll. Latakia dient dabei als Alternative für den Flughafen von Damaskus, der durch die Rebellen an der Peripherie der Hauptstadt unsicher gemacht wird.

Vieles deutet auch darauf hin, dass Russland nicht nur damit begonnen hat, modernere und wirksamere Waffen an die syrischen Truppen zu liefern, sondern auch Kampfflugzeuge schicken will. Diese könnten einerseits zum Schutz des syrischen Luftraums, andererseits zu einer wirksameren Bekämpfung der Rebellen eingesetzt werden, die sowohl Damaskus als auch Moskau für Jihadisten und Terroristen halten. Dass die syrische Luftwaffe äusserst schwach ist, zeigt sich schon allein daran, dass sie die berüchtigten Fassbomben einsetzt, die zwar äusserst zerstörerisch, aber unpräzise und deshalb von geringem militärischem Wert sind.

Signal an die Basis

Die Verstärkung der russischen Militärhilfe bedeutet aber auch eine politische Stärkung des Regimes. Syrische Medien berichten ausführlich über die Unterstützung Moskaus. Und es war Ende August die regimenahe Zeitung «Al-Watan», die erstmals über eine substanzielle Verstärkung der russischen Militärhilfe berichtete. Der russische Eingriff soll Zweifel an der Widerstandskraft der Regierungstruppen zerstreuen, die an der politischen Basis des Asad-Regimes aufgekommen sind.

Die Rebellen beschiessen immer häufiger Hochburgen des Regimes wie Damaskus, Latakia oder den Westteil Aleppos, wo am Dienstag 13 Einwohner in Granatsalven der Aufständischen starben. Die zunehmende Bedrohung nährt beim städtischen Mittelstand und bei den religiösen Minderheiten, die bisher auf den Schutz der Regierungstruppen vertrauten, Angst und damit Fluchtgedanken. Das russische Engagement, so hofft das Regime von Bashar al-Asad, soll verhindern, dass ihm die Leute davonlaufen.

Argwohn gegen Iran

Indem es die russische Hilfe ins Rampenlicht stellt, versucht das syrische Regime auch ein Gleichgewicht zum starken iranischen Einfluss herzustellen. Glaubt man libanesischen Medienberichten, haben die Abhängigkeit von Teheran und das Gewicht iranischer Militärberater in der Armee und in der Regierungspartei Unwillen und Proteste ausgelöst. Für die regierende Baath-Partei, die einen säkularen Nationalismus vertritt, sind die Russen seit Sowjetzeiten die natürlichen Verbündeten. Die Abhängigkeit von einem religiösen, nichtarabischen Regime wie dem iranischen hingegen erzeugt einigen Widerwillen.