Neue Zürcher Zeitung, 19.09.2015

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Ausbau der Militärpräsenz

Russland setzt sich in Syrien fest

Neue Satellitenbilder zeigen offenbar deutlich gesteigerte russische Militäraktivitäten in Syrien. Präsident Putin stärkt Asad den Rücken und erhöht den Druck auf den Westen.

von Daniel Wechlin, Moskau

Der Kreml propagiert immer entschiedener eine neue internationale Koalition im Kampf gegen den Islamischen Staat (IS) in Syrien. Nur durch vereinte Bemühungen könne das syrische Volk vor der Sklaverei und dem Barbarismus des IS bewahrt werden, sagte Präsident Wladimir Putin diese Woche am Gipfeltreffen des von Russland angeführten Militärbündnisses ODKB in Duschanbe. Abermals stellte sich der Kremlchef hinter Bashar al-Asad und forderte andere Länder auf, wie Russland das Regime in Damaskus für den Anti-Terror-Kampf militärtechnisch zu unterstützen. Das Agieren der USA gegen den IS kritisierten russische Spitzenbeamte als chaotisch und ineffektiv, gleichzeitig signalisierten sie aber Gesprächsbereitschaft. Eine Unterredung der Verteidigungsminister der beiden Länder soll bereits stattgefunden haben, wie Washington am Freitag bekanntgab.

Alle Optionen offenhalten

Russlands Initiativen für die Bildung einer breiten Front samt Asad, der möglicherweise auch Iran angehören könnte, laufen klar der bisherigen Politik der USA sowie vieler Staaten in Europa und im Nahen Osten zuwider. Entsprechend misstrauisch werden die Motive Russlands beurteilt und wird davor gewarnt, dass eine unilaterale Intervention Russlands die Lage im Bürgerkriegsland noch prekärer machen könnte. Moskau streitet zwar ab, mit Kampftruppen militärisch in Syrien aktiv zu sein. In die Karten schauen lässt sich der Kreml aber nicht. Wohl um alle Optionen offenzuhalten, ist die Informationspolitik doppeldeutig: Am Mittwoch sagte der stellvertretende Generalstabschef Nikolai Bogdanowski , Russland plane derzeit keinen Luftwaffenstützpunkt in Syrien. Doch alles könne passieren. Am Freitag liess Putins Sprecher verlauten, dass Russland natürlich eine Truppenentsendung prüfen werde, sollte Damaskus danach fragen. Bis jetzt sei es aber schwer, hypothetisch darüber zu sprechen.

Nicht nur die russischen Waffenlieferungen an Damaskus nahmen jüngst zu . Neue Satellitenaufnahmen scheinen auch zu belegen, dass Russland seine Militärpräsenz stark ausbaut. Moskau verfügt seit 1971 über eine Marine-Versorgungsbasis in Tartus. Gegenwärtig werden jedoch die intensivsten Aktivitäten bei Latakia registriert, das vermutlich zu einem Drehkreuz der russischen Militärhilfe für das geschwächte Asad-Regime werden soll. Die amerikanische Denkfabrik Stratfor veröffentlichte Bilder des dortigen Flughafens vom 4. und 15. September. Dabei sind nicht nur deutliche bauliche Veränderungen an der Infrastruktur zu sehen. Unter anderem sollen neue Verbindungswege, Hangars und Unterkünfte für Hunderte von Personen entstanden sein. Gesichtet wurden offenbar auch diverse russische Transportmaschinen und neu in Stellung gebrachte Artillerie. Zudem seien russische Schützenpanzer und womöglich auch T-90-Kampfpanzer, Mi-17-Transporthelikopter und Kampfhelikopter des Typs Mi-24 auf den Bildern zu sehen.

Bloomberg und Reuters berichteten mit Verweis auf amerikanische Regierungsquellen, Russland plane die Entsendung von Abfangjägern (MiG-31), Kampfflugzeugen (Su-25) und des Raketenabwehrsystems Sa-22. Auch mehren sich die Berichte von Augenzeugen und Bloggern , die russische Soldaten, etwa in der Umgebung der Stadt Hama, gesehen haben wollen. Vieles davon lässt sich nicht verifizieren. Stratfor hält zudem fest , dass Russland zurzeit zu wenig Militäreinheiten in Syrien habe, um an der Seite Asads gegen den IS oder die Rebellen entscheidend einzugreifen. Fest steht, dass Russland seine Position in Syrien und damit automatisch auf dem internationalen Parkett festigt.

Probe für Putins Uno-Auftritt

Behält der Kreml seinen Kurs bei und setzt den Ausbau seiner militärischen Präsenz fort, könnte er den Westen in Zugzwang bringen und ihm unpopuläre Entscheidungen abringen. Putins Rede in Duschanbe galt einigen Beobachtern denn auch als Probe für seinen Auftritt Ende Monat vor der Uno-Generalversammlung. Es wird erwartet, dass er in New York für seine Anti-Terror-Allianz werben und die russische Sicht darlegen wird, gemäss der das syrische Volk nicht vor Asad, sondern vor dem IS flieht und ohne Russlands Wirken in Syrien die Flüchtlingsströme nach Europa noch grösser wären.