tagesschau.de, 25.09.2015

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Ein Jahr nach erster Lieferung

Waffen für Kurden - kaum noch Thema

Vor einem Jahr lieferte Deutschland erstmals Waffen an Kurden im Nordirak. Damals wurde viel diskutiert - etwa, ob die Kurden ihr Versprechen einhalten und deutsche Waffen nicht an Dritte weitergeben.

Von Sabine Müller, HR, ARD-Hauptstadtstudio

Vor einem Jahr hätte man die Mitglieder im Verteidigungsausschuss des Bundestags vermutlich aus dem Tiefschlaf reißen können und sie hätten sofort über alle Feinheiten der Waffenlieferungen an Peschmerga-Kämpfer im Nordirak Auskunft geben können. Heute ist das anders.

Zwar versichert die SPD-Abgeordnete Heidtrud Henn, das Thema sei nicht vom Schirm verschwunden: "Bei uns im Ausschuss ist das natürlich jedes Mal auch ein Thema." Aber wenn man nachfragt, merkt man ihr und anderen Ausschussmitgliedern schnell an, dass für sie mittlerweile andere Themen im Vordergrund stehen, dass sie nicht mehr im Detail drinstecken.

Wann war die letzte Waffenlieferung?

Wann zum Beispiel gab es denn die letzte deutsche Waffenlieferung in den Nordirak? Der Bundestagsabgeordnete Rainer Arnold: "Ich habe die Zahlen jetzt natürlich nicht auswendig parat." SPD-Obmann Arnold weiß es nicht und Henn rät falsch: "Das war im letzten Herbst."

Das Verteidigungsministerium von CDU-Politikerin Ursula von der Leyen kennt die genauen Antworten: Im vergangenen Herbst gab es drei Lieferungen, in diesem Jahr bisher vier, die letzte im Juli. Unter anderem Panzerabwehrraketen, Handgranaten, Sturmgewehre und Maschinengewehre mit insgesamt mehr als 13 Millionen Schuss Munition. Gesamtwert etwa 60 Millionen Euro.

Diskussion um Endverbleib der Waffen

Vor einem Jahr gab es eine große Debatte über den sogenannten Endverbleib der Waffen: Können wir sicher sein, dass sie nicht in falsche Hände geraten? Rainer Arnold lobt die kurdischen Kämpfer hier: "Wir haben auch immer wieder Waffen nachgeliefert, weil sich gezeigt hat, dass die Kurden verantwortungsvoll damit umgehen. Wir haben derzeit auch keine Sorge, was den Endverbleib anlangt."

"Na ja, also da bin ich etwas skeptischer", sagt Alexander Neu, der Obmann der Linkspartei im Verteidigungsausschuss: "Wenn die Waffen erstmal weg sind und gerade auch im Orient, da wird doch sehr viel gedealt. Der Begriff Basar hat schon seinen Grund. Ich glaube schon, dass es Probleme gibt, was den Endverbleib anbetrifft."

Erkenntnisse der Bundesregierung

Laut Verteidigungsministerium gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass die Kurden ihr Versprechen nicht einhalten, die deutschen Waffen nicht an Dritte weiterzugeben. Medienberichte, dass manche Waffen an die PKK gegangen sind, wurden nie bestätigt. Die Grünen-Abgeordnete Doris Wagner vermutet, die Bundesregierung wolle es gar nicht so genau wissen: "Wir haben mehrfach bei der Bundesregierung angefragt mit meiner Fraktion, ob sie etwas über den Verbleib der Waffen sagen könnten, und es kommt immer wieder die gleiche Antwort: 'Es gibt keine Erkenntnisse.' Aber die Bundesregierung hat offenbar auch kein Interesse daran, diese Erkenntnisse zu gewinnen."

Neben den Waffen stellt die Bundeswehr auch Ausbilder: 104 sind im Moment im nordirakischen Erbil, wo sie kurdischen Kämpfern beibringen, die deutschen Waffen richtig zu bedienen und sie auch strategisch unterstützen. Der Verteidigungsexperte Arnold ist überzeugt, dass die Hilfe der Bundeswehr gewirkt hat: "Die Bilanz ist nach einem Jahr eine positive. Es ist gelungen, den Vormarsch der IS-Terroristen zu stoppen, und in manchen Gebieten konnten die Kurden auch die IS-Kämpfer zurückdrängen."

Winterfeste Kleidung

Bei Alexander Neu von der Linkspartei fällt die Bilanz gemischter aus: "In der Tat konnte der IS sich im Irak nicht weiter ausbreiten, er konnte aber auch nicht signifikant zurückgeschlagen werden. Von einer wirklichen Stärkung der Peschmerga kann man nicht reden."

Für die nächsten Wochen ist eine neue Lieferung an die Kurden geplant. Diesmal allerdings nur "nicht-letales Material", wie es im Bundeswehr-Jargon heißt, also nicht-tödliches Material. Die kurdischen Kämpfer bekommen winterfeste Kleidung.