Neue Zürcher Zeitung, 01.10.2015 http://www.nzz.ch/international/naher-osten-und-nordafrika/ankara-naehert-sich-der-realitaet-an-1.18622938 Türkische Syrien-Politik Ankara nähert sich der Realität an Bis vor kurzem schien eine Lösung in Syrien mit Bashar al-Asad für die Türkei unmöglich. Jetzt deutet Präsident Erdogan einen Wechsel in der Syrien-Politik an. Die Position der türkischen Regierung schien in Stein gemeisselt: keine Lösung in Syrien mit Bashar al-Asad. Letzte Woche wich Präsident Recep Tayyip Erdogan von dieser Linie ab. Eine Übergangslösung könne Asad einschliessen, meinte er nach einem Besuch in Moskau. Ministerpräsident Ahmet Davutoglu warnte derweil: Beziehe man Asad in einer Übergangsphase ein, werde daraus ein temporäres Arrangement. Das letzte Wort wird Erdogan haben. Ankara steht vor der schwierigen Aufgabe, seine Syrien-Politik der Realität anzupassen. Ein Festhalten an der bisherigen Linie würde wohl bedeuten, dass man ohne die Türkei mit Damaskus verhandelt. Wenig Rückhalt findet Davutoglu auch für die anvisierte Sicherheitszone auf syrischem Boden, in die Flüchtlinge zurückgeführt werden sollen. Vor dem russischen Eingreifen in das Kriegsgeschehen setzten türkische Kampfjets an der syrischen Grenze faktisch ein Flugverbot gegen Asads Armee durch. Ob Ankara mit demselben Selbstvertrauen russische Flugzeuge abweisen würde, ist fraglich. Aus der Nähe schaute es bereits mit an, wie das syrische Regime aufgerüstet wurde: In erhöhter Kadenz fuhren russische Kriegsschiffe vom Schwarzen Meer durch den Bosporus ins Mittelmeer. Der Verdacht liegt nahe, dass sie den syrischen Hafen Tartus ansteuerten.
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