Thüringer Allgemeine, 07.10.2015

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TU Ilmenau suspendiert Doktoranden nach Verdacht auf Volksverhetzung

Ilmenau (Ilm-Kreis). Die Technische Universität Ilmenau hat am Dienstag den Doktoranden, gegen den am Wochenende Vorwürfe wegen menschenverachtender Posts über dessen Twitter-Profil erhoben worden waren, von seinen Dienstpflichten als wissenschaftlicher Mitarbeiter freigestellt.

Wegen des Vorwurfs, einen menschenverachtenden Kommentar im Internet hinterlassen zu haben, hat die Leitung der Ilmenauer Universität gestern einen Mitarbeiter mit sofortiger Wirkung vom Dienst suspendiert. Zudem ermittelt nun auch die Kriminalpolizei Gotha gegen den türkischstämmigen Doktoranden wegen des Verdachts der Volksverhetzung.

Auslöser war eine Äußerung auf dem Profil des Mannes im Internet-Kurznachrichtendienst Twitter. Ein aktuelles Foto, auf dem die Leiche eines Kurden hinter einem Polizeifahrzeug hergeschleift wird, wurde auf Türkisch sinngemäß so kommentiert: „Dürfen Polizisten denn Hunde nicht mehr frei ausführen?“ Die Äußerung löste eine heftige Protestwelle in sozialen Netzwerken aus. Bereits am Sonntag setzten Nutzer die Ilmenauer Bildungseinrichtung in Kenntnis. Grundtenor: „Ihr Doktorand [...] befürwortet Kriegsverbrechen“, hieß es.

Bis die Vorwürfe geklärt sind

Die Universitätsleitung reagierte zunächst mit einer Erklärung, in der sie sich deutlich von dem Vorfall distanzierte und eine Prüfung ankündigte.

Doch am Dienstagnachmittag zog das Rektorat die Reißleine: Der Mann wurde „von seinen Dienstpflichten als wissenschaftlicher Mitarbeiter freigestellt“ – zumindest so lange, bis die Vorwürfe geklärt sind. Denn in einem Gespräch beteuerte der Doktorand nach Angaben der Universität, die Äußerungen nicht gemacht zu haben. Vielmehr müsse sein Zugang gehackt worden sein. Das aber wird in sozialen Netzwerken bereits bezweifelt. Nicht zum ersten Mal soll der Mann mit türkischen Wurzeln durch abfällige Kommentare gegenüber Kurden aufgefallen sein, heißt es.

Die TU Ilmenau erstattete gestern zudem Anzeige. „Da die in Frage stehenden Aussagen derzeit noch nicht zweifelsfrei dem Doktoranden zugeschrieben werden können, kann die Anzeige nur gegen unbekannt erstattet werden“, hieß es in einer Erklärung. Sollten sich die Vorwürfe als berechtigt herausstellen, werde die Bildungseinrichtung weitere personal- und strafrechtliche Konsequenzen einleiten. Eine Anfrage unserer Zeitung an den betreffenden Mitarbeiter blieb bis gestern unbeantwortet.

Nun auch Drohungen gegenüber der Universität

Sensibilisiert ist die Kriminalpolizei inzwischen hinsichtlich der Sicherheit des mutmaßlichen Kommentarschreibers selbst. „Die Reaktionen beinhalten auch Bedrohungen für Leib und Leben des TU-Mitarbeiters“, erklärte eine Sprecherin. Zudem kam es im Verlauf der weiteren Diskussion „zur Androhung von Straftaten gegen die TU Ilmenau“.

Mit einem offenen Brief reagierte gestern die Deutsch-Kurdische Juristenvereinigung mit Sitz in Frankfurt am Main auf den Vorfall. „Eine solche Äußerung lässt jeden Respekt vor der Würde des Menschen vermissen“, stellte Vertreterin Serhildan Tütkü fest. Durch seinen hetzerischen Kommentar habe der Autor außerdem die angespannte Stimmung zwischen Menschen türkischer und kurdischer Abstammung auch in Europa weiter angeheizt, erklärte sie.

Für die Deutsch-Kurdische Juristenvereinigung haben „universelle Menschenrechte wie sie auch im Grundgesetz enthalten sind, allerhöchste Priorität“, teilte Serhildan Tütkü mit. Der Vorstand kündigte daher an, strafrechtliche Schritte gegen den TU-Mitarbeiter einzuleiten.

Arne Martius / 07.10.15 / TA