Neue Zürcher Zeitung, 13.10.2015 www.nzz.ch/international/mehr-amerikanische-waffen-fuer-rebellen-1.18629121 Eskalation in Syrien Mehr amerikanische Waffen für Rebellen Der Stellvertreterkrieg in Syrien scheint eine neue Eskalationsstufe zu erreichen: Als Reaktion auf die russischen Luftangriffe lassen die USA den Rebellen offenbar verstärkt Waffen zukommen. von Christian Weisflog Nachdem das Pentagon die Ausbildung eigener «gemässigter Rebellen» in Syrien aufgegeben hat, heisst die Strategie nun «ausrüsten und befähigen». Bereits bestehende Kampfgruppen sollen in Syrien ausgewählt, mit Waffen versorgt und mit Luftangriffen unterstützt werden. Das Vorgehen ist dabei keineswegs neu, aber seit Moskau auch Luftangriffe gegen von Washington unterstütze Rebellen fliegt, scheinen die USA bereit zu sein, die Waffenlieferungen zu verstärken. Offensive auf IS-Hochburg? So berichteten Beispielsweise die Kurden im Norden Syriens am Montag, amerikanische Flugzeuge hätten 50 Tonnen Munition und Handgranaten abgeworfen. Kurden-Sprecher Idriss Nassan sagte der Deutschen Presse-Agentur: «Die USA haben versprochen, Waffen zu liefern und ihre Luftangriffe zu verstärken, um den Kämpfern am Boden zu helfen.» Die Kurden haben bereits im Kampf um die Grenzstadt Kobane bewiesen, dass sie die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) zurückdrängen können. Dabei haben sie im Nordosten Syriens ein Bündnis mit arabischen Rebellengruppen der Freien Syrischen Armee (FSA) und lokalen Stammeskämpfern geschlossen – das sogenannte Burkan al-Furat (Vulkan des Euphrats) . Dieses Bündnis soll – unterstützt von den USA – eine Offensive auf die IS-Hochburg Rakka starten. «Wir haben grosse Versprechungen für künftige Waffenlieferungen erhalten und wir bekommen bereits Ausrüstung», erklärte ein Sprecher von Liwa Thuwar al-Rakka gegenüber der Internetplattform syriadirect.org . Liwa Thuwar al-Rakka kämpft seit Anbeginn gegen den IS im Osten Syriens. 2014 schloss sich die Gruppe dem vom Westen unterstützten Bündnis der FSA mit den Kurden an. Liwa Thuwar half mit, die wichtigen Grenzstädte Kobane und Tall Abyad vom IS zu befreien. «Panzer-Massaker» mit amerikanischen Raketen Die USA unterstützen in Syrien aber nicht nur den Kampf gegen den IS. Wie die «New York Times» berichtet liefert die CIA mithilfe Saudiarabiens und anderer Verbündeten seit 2013 TOW-Panzerabwehrraketen an Kampfverbände der FSA. Die TOW-Raketen sind eine präzise Lenkwaffe, die Panzer in knapp vier Kilometern Entfernung zerstören kann. Die Waffen haben vermutlich wesentlich dazu beigetragen, dass die Rebellen die syrische Armee in den vergangenen Monaten im Nordwesten zurückdrängen konnten. Einige Beobachter gehen sogar davon aus, dass die TOW-Raketen das Asad-Regime so stark schwächten, dass Russland sich gezwungen sah, zu intervenieren . Nun erweisen sich die Abwehrraketen als sehr wirksam gegen die Bodenoffensive des syrischen Regimes. Die Rebellen posten immer wieder Videos von erfolgreichen Abschüssen im Internet. Vom vergangenen Mittwoch bis am Samstag sollen insgesamt 36 Panzer der Asad-Armee zerstört worden sein. Der Opposition nahestehende Medien berichten von einem «Panzer-Massaker». Aufwind für gemässigte Rebellen Und die Lieferungen der TOW-Raketen scheinen nun in beachtlichen Mengen zu erfolgen. «Wir bekommen so viele, wie wir brauchen und wann immer wir sie brauchen», erklärte ein Rebellenvertreter der «New York Times». Weil sie nun über die besseren Waffen verfügen, ist das Ansehen der gemässigten FSA-Kämpfer offenbar gestiegen – sowohl bei den islamistischen Rebellengruppen als auch in der Bevölkerung. Die Islamisten hätten sie immer als Agenten des Westens und als Ungläubige bezeichnet, erklärt Ahmad Saud, der Kommandant der Division 13. «Jetzt sehen sie (die Islamisten), wie effektiv es ist, sich mit dem Westen zu verbünden.» In den vergangenen Tagen sei
in Syrien etwas sehr Wichtiges passiert, sagt auch Bassam Barabandi –
ein ehemaliger syrischer Diplomat, der die Seiten gewechselt hat. «Das
Momentum ist, dass die FSA und nicht die Islamisten die Syrer repräsentieren»,
erklärte Barabandi gegenüber dem Analyseportal al-Monitor. Allerdings gibt es auch Hinweise dafür, dass Russland die syrische Armee nicht nur mit Luftangriffen, sondern ebenfalls mit schlagkräftigeren Waffen versorgt. Die syrischen Rebellen indes verlangen bereits nach amerikanischen Flugabwehrraketen, um die russischen Kampfjets vom Himmel zu holen. Das wäre die nächste Stufe des Stellvertreterkriegs.
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