Die Presse, 14.10.2015

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EU knüpft Zugeständnisse an Türkei an Flüchtlingszahlen

EU-Ratspräsident Tusk ruft Ankara auf, den Flüchtlingsstrom nach Europa einzudämmen. Und warnt vor "Millionen" neuer Flüchtlinge im Frühjahr.

EU-Ratspräsident Donald Tusk hat ein Abkommen mit der Türkei an rückläufige Flüchtlingszahlen geknüpft. In einem gestern in Brüssel veröffentlichten Einladungsschreiben an die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union schreibt der polnische Politiker: „Zugeständnisse werden nur gerechtfertigt sein, wenn dieses Ziel erreicht ist.“

Ziel seiner Gespräche in Ankara sei es gewesen, den Zustrom von Flüchtlingen nach Europa einzudämmen, so Tusk. Er schlage vor, die gemeinsame Vorgehensweise zu den Themen Türkei und Syrien beim Abendessen zu erörtern. Die Türkei ist das größte Transitland für Flüchtlinge.

Selbst wenn der Andrang von Flüchtlingen im Winter nachlasse, müsse die EU auf den Frühling und damit auf „größere Wellen“ vorbereitet sein. Alle politischen Führer, mit denen er in der Region gesprochen habe, hätten vor Millionen möglicher neuer Flüchtlinge gewarnt.

„Der außergewöhnlich leichte Zugang nach Europa ist einer der Hauptanziehungsfaktoren“, argumentierte Tusk. Der Herbstgipfel der EU-Staats- und -Regierungschefs ist für morgen geplant.

EU-Staaten zahlen nicht

Dabei könnte auch das Geld für die Flüchtlingskrise ein Thema werden. Denn angeblich fließen die von EU-Staaten eingeplanten Gelder nur schleppend. Das berichtet die Tageszeitung "Die Welt" (Mittwoch) unter Berufung auf hohe EU-Kreise. Dort hieß es, "die beim Brüsseler Flüchtlings-Sondergipfel im September für das Treffen der EU-Staats- und Regierungschefs am kommenden Donnerstag vereinbarten Zahlungen sind bei weitem nicht geflossen".

So gebe es bisher anstelle der zugesagten 1,8 Milliarden Euro für den Nothilfe-Treuhandfonds für Afrika zur Bekämpfung von Fluchtursachen lediglich Zusagen von 24,3 Millionen Euro. Deutschland, Österreich, Frankreich und Großbritannien hätten für den Treuhandfonds für Afrika überhaupt keine Mittel zugesagt, so die "Welt". "Bei der Finanzierung des Welthungerprogramms und des Treuhandfonds Syrien ist die Situation ähnlich: Den großen Versprechungen folgen keine Taten", hieß es in Brüssel.

Die EU-Kommission hat seit dem Sondergipfel im September insgesamt 2,8 Milliarden Euro an neuen Flüchtlingshilfen zur Verfügung gestellt - jeweils 500 Millionen Euro für das Welthungerprogramm und den Treuhandfonds Syrien und 1,8 Milliarden Euro für den Nothilfe-Treuhandfonds Afrika. Die EU-Länder hatten sich laut Beschluss des Sondergipfels verpflichtet, "entsprechende Beträge" in gleicher Höhe bereitzustellen.

Wie es in hohen EU-Kreisen weiter hieß, verläuft auch der Aufbau von Registrierungszentren für Flüchtlinge (Hotspots) in Griechenland und Italien bisher nur stockend. Es fehle Personal, weil die EU-Staaten ihre Zusagen bisher nur unzureichend erfüllt und die erforderlichen Experten zur Registrierung von Flüchtlingen nicht ausreichend geschickt haben. Österreich und Deutschland seien einige der wenigen Länder, die ihren Verpflichtungen bei der Entsendung von Experten nachgekommen seien.