junge Welt, 15.10.2015

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Querfront für Dschihad

Syrien: »Islamischer Staat« und Al-Nusra-Front rufen zu »Heiligem Krieg« gegen Russland und USA auf. Ankara bestellt Botschafter Moskaus und Washingtons ein

Von Rüdiger Göbel

Die im Irak und in Syrien operierende Terrormiliz »Islamischer Staat« (IS) ruft in einer Audiobotschaft zum »Heiligen Krieg« gegen Russland und die USA auf. »Islamische Jugend der Welt, entzündet den Dschihad gegen Russen und Amerikaner in ihrem Kreuzzug gegen Muslime«, soll es in der Botschaft heißen, die von der Nachrichtenagentur Reuters am Dienstag abend publik gemacht wurde. Darüber hinaus werden die anderen islamistischen Gruppen, die gegen die syrische Regierung von Präsident Baschar Al-Assad kämpfen, aufgerufen, sich dem IS anzuschließen. Die dschihadistische Einheitsfront will ihre Gegner »auf dem Schlachtfeld« erwarten. Gemeinsam werde man alle Armeen vernichten, gibt sich der IS »kampfeslustig« (dpa). Die islamistische Al-Nusra-Front in Syrien hat zuvor ebenfalls zu terroristischen Gewaltverbrechen in Russland aufgerufen. Zur Erinnerung: Der frühere CIA-Chef David Petraeus hatte noch im September vorgeschlagen, Kämpfer des Al-Qaida-Ablegers als »Partner« im Kampf gegen den IS zu ertüchtigen.

Weitere Unterstützung erhalten die Syrien terrorisierenden Dschihadistengruppen vom NATO-Mitglied Türkei. Die AKP-Regierung unter Präsident Recep Tayyip Erdogan bestellte am Mittwoch die Botschafter Moskaus und Washingtons ein. Das Außenministerium in Ankara warnte demnach vor einer Unterstützung von Gegnern des »Islamischen Staats«, konkret vor Waffenhilfen für die im Norden Syriens kämpfenden kurdischen Volksverteidigungsmilizen YPG. Ministerpräsident Ahmet Davutoglu nannte deren Unterstützung »inakzeptabel«. Die Waffen könnten so in die Hände der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) gelangen. Man könne »keinerlei Zusammenarbeit mit Terrororganisationen akzeptieren«, die einen »Krieg« mit der Türkei führten. Einmal mehr bezichtigte der Premier die PKK, neben dem IS möglicherweise für den Terroranschlag am vergangenen Wochenende in Ankara mit mehr als 100 Toten verantwortlich zu sein. Am Sonntag will Bundeskanzlerin Angela Merkel in die Türkei reisen. Gespräche mit den Dschihadistenhelfern Erdogan und Davutoglu stehen auf dem Programm, Treffen mit Terroropfern nicht.

Grund für Ankaras Diplomatenrüffel: Das US-Verteidigungsministerium hatte am Montag bekannt gegeben, kurdische Milizen in Nordsyrien mit Munition versorgt zu haben. Russland, das seit zwei Wochen mit Luftangriffen das Vorgehen der syrischen Regierungstruppen gegen Dschihadistengruppen stützt, hat die Kurdengruppen in den Kampf gegen den IS eingebunden.

US-Verteidigungsminister Ashton Carter kündigte derweil für Mittwoch Gespräche mit russischen Vertretern über die Luftangriffe in Syrien an. Auf Kommandeursebene sollte demnach sichergestellt werden, dass sich russische und US-amerikanische Kampfjets über der Levante nicht in die Quere kommen. Nach Angaben des russischen Außenministers Sergej Lawrow stehen beide kurz vor einer entsprechenden Vereinbarung. Gleichzeitig beklagte Moskaus Spitzendiplomat die Weigerung der USA, eine ranghohe russische Delegation zur Syrien-Frage unter Führung von Regierungschef Dmitri Medwedew zu empfangen. Washington will auch keine eigene Delegation nach Moskau entsenden.

Wie das Verteidigungsministeriums in Moskau am Mittwoch mitteilte, attackierte die russische Luftwaffe bei neuen Angriffen 40 Ziele der Dschihadistenmiliz »Islamischer Staat« in den Provinzen Aleppo, Idlib, Latakia, Hama und Deir Essor. In Aleppo war es IS-Kämpfern zuvor offensichtlich gelungen, Gebiete von sogenannten gemäßigten Dschihadisten zu erobern. Die Miliz soll nun eine wichtige Verbindung zwischen der einstigen Wirtschaftsmetropole und der türkischen Grenze kontrollieren.