Neues Deutschland, 14.10.2015

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Türkei warnt vor Unterstützung für kämpfende Kurden

Ankara bestellt Botschafter Russlands und der USA ein / Türkischer Staatschef Erdogan kündigt Untersuchung des Anschlags von Ankara durch Staatskontrollrat an und weist Rücktrittsforderung an Minister zurück

Nach dem Anschag in Ankara gibt es erste Konsequenzen. Die türkische Regierung hat den Polizeichef von Ankara suspendiert. Forderungen nach dem Rücktritt des Innen- und Justizministers wies Staatschef Erdogan aber zurück.

Istanbul. Nach dem verheerenden Anschlag von Ankara mit fast 100 Toten hat die türkische Regierung den Polizeichef der Hauptstadt seines Amtes enthoben. Auch die Leiter der Sicherheits- und der Geheimdienstabteilung der Polizei in Ankara seien suspendiert worden, meldete die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu am Mittwoch.

Damit solle eine umfassende Untersuchung des schwersten Anschlags in der Geschichte der Türkei ermöglicht werden. Bei dem Doppelanschlag am vergangenen Samstag waren nach Regierungsangaben mindestens 97 Menschen ums Leben gekommen.

Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan hatte am Dienstagabend Rücktrittsforderungen an die Adresse von Ministern wegen der Bluttat zurückgewiesen. Kritiker hatten den Behörden Versagen vorgeworfen.

Oppositionsführer Kemal Kilicdaroglu von der sozialdemokratischen CHP hatte gefordert, der Innen- und der Justizminister sollten zurücktreten. Erdogan sagte: »Wir führen einen Staat, und wir sind auch nur Menschen. Jeder von uns kann Fehler machen.« Erdogan kündigte eine Untersuchung des Anschlags durch den ihm direkt unterstellten Staatskontrollrat an.

Unterdessen geht die türkische Armee auch weiterhin gewaltsam gegen die PKK vor: Bei Luftschlägen in der südosttürkischen Provinz Hakkari sind nach Angaben der Armee zwölf PKK-Kämpfer getötet worden. Im Bezirk Yüksekova seien auch Waffenlager bombardiert worden, teilten die türkischen Streitkräfte bereits am Dienstag mit.

Die PKK hatte am Samstag mitgeteilt, bis zu den Neuwahlen am 1. November auf Anschläge auf den Staat zu verzichten, wenn sie selbst oder die »kurdische Bewegung« nicht angegriffen werden. Trotz wiederholter Luftschläge der türkischen Armee werde man eigene Angriffe weiter aussetzen, erklärte die PKK am Montag.

Parallel zu den Angriffen auf kurdische Gebiete bestellte die Türkei die Botschafter Russlands und der USA ein und warnte diese vor einer Unterstützung syrischer Kurden im Kampf gegen die IS. Den Botschaftern sei die türkische Sichtweise hinsichtlich der kurdischen Partei der Demokratischen Union (PYD) übermittelt worden, sagte ein Mitarbeiter des türkischen Außenministeriums am Mittwoch der Nachrichtenagentur AFP. Bei der Einbestellung am Dienstag seien »notwendige Warnungen« ausgesprochen worden.

Der PYD sollen nach türkischer Auffassung weder von russischer noch von US-Seite Waffen oder anderweitige Unterstützung zukommen. Die Türkei sieht die PYD als den syrischen Ableger der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) an. Die PKK kämpft seit 1984 in der Türkei gegen den Staat und ist als Terrorgruppe dort verboten.

In der vergangenen Woche hatte das Pentagon erklärt, das umstrittene US-Ausbildungsprogramm für moderate Rebellen in Syrien auszusetzen und sich stattdessen auf die Ausrüstung ausgewählter Rebellenführer zu konzentrieren, die aktiv gegen den IS kämpfen. Russland unterstützt mit Luftangriffen in Syrien vor allem Staatschef Baschar al-Assad; in der vergangenen Woche gab es Gespräche eines russischen Vertreters mit PYD-Chef Salih Muslim über den Kampf gegen den IS. Agenturen/nd