tagesschau.de, 14.10.2015

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Status als sicheres Herkunftsland

Alles gut in der Türkei?

Die Türkei - ein sicheres Herkunftsland? Die EU tendiert zu einem Ja, und das hat vor allem mit der Flüchtlingskrise zu tun. Auch die Bundesregierung möchte die Türkei auf die EU-weite Liste sicherer Staaten setzen. Die Opposition ist strikt dagegen.

Auf die EU-weite Liste der sicheren Herkunftsländer kommen nur jene Staaten, die erwiesenermaßen die Menschenrechte achten, Presse- und Meinungsfreiheit herrschen und politisch Andersdenkende nicht verfolgt werden. Asylanträge von Menschen aus einem sicheren Herkunftsland haben in der Regel keine Chance auf Anerkennung.

Die EU-Kommission möchte die Türkei zu einem sicheren Herkunftsland erklären. Dieser Standpunkt habe sich durch die jüngsten Anschläge in Ankara nicht verändert, sagte eine Sprecherin der Brüsseler Behörde. Die Türkei sollte auf die Liste sicherer Herkunftsländer gesetzt werden, weil das Land Beitrittskandidat für die EU sei und deshalb vorausgesetzt werde, dass dort bestimmte Standards bei Menschenrechten erfüllt würden.

Eine nicht ganz einfache Beziehung: Der türkische Präsident Erdogan und EU-Kommissionspräsident Juncker kürzlich in Brüssel.

Ein "sinnvoller Schritt"

Auch die Bundesregierung hält die Einstufung der Türkei als sicheres Herkunftsland für sinnvoll - und sagt auch deutlich, warum. Im Gesamtbild der Gespräche mit Ankara über eine Begrenzung des Flüchtlingszuzugs nach Europa könne ein solcher Schritt "Sinn machen", hieß es aus Regierungskreisen in Berlin.

Mit einem entsprechenden Beschluss bereits auf dem EU-Gipfel am Donnerstag rechnet die Bundesregierung aber nicht. Das Verhältnis zur Türkei ist ein zentrales Thema des EU-Gipfels, der ganz im Zeichen der Flüchtlingskrise steht. Die EU braucht Ankaras Hilfe bei der Bewältigung des Flüchtlingszuzugs, die Türkei erwartet dafür Gegenleistungen, etwa auch den Fortfall des Visumzwangs bei der Einreise von Türken in die EU. Beim geplanten Besuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel in Istanbul am Wochenende wird es auch darum gehen, was die Türkei möchte.

"Mit der Realität hat das nichts zu tun"

Für die Regierung in Ankara wäre der Status als sicheres Herkunftsland eine politische Aufwertung. Bei der Opposition in Deutschland stoßen die Überlegungen deshalb auf Kritik. "Mit der Realität in der Türkei hat das nichts, aber auch wirklich gar nichts zu tun", sagte Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth von den Grünen im Bundestag. Inge Höger von der Linkspartei ergänzte, unter dem Vorwand der Terrorbekämpfung würden im Osten der Türkei ganze Städte tagelang abgeriegelt, um die kurdische Bevölkerung im Vorfeld der Parlamentswahlen einzuschüchtern.

Kanzlerin Merkel hatte bereits vergangene Woche angedeutet, dass man der Türkei den Status als sicheres Herkunftsland geben könne. Alle anderen EU-Beitrittskandidaten würden ähnlich behandelt. Der Status als sicheres Herkunftsland ermöglicht beschleunigte Asylverfahren für Antragsteller aus solchen Ländern und eine leichtere Abschiebung dorthin.