Neue Zürcher Zeitung, 16.10.2015

http://www.nzz.ch/international/europa/tuerkischer-warnschuss-an-die-unterstuetzer-des-syrischen-regimes-1.18631089

Krieg in Syrien

Türkischer Warnschuss an die Unterstützer Asads

Mit dem Abschuss einer Drohne nahe der syrischen Grenze lässt Ankara seine Muskeln spielen. Gleichzeitig will die Regierung den Westen auf ihren Kurs einschwören.

von Inga Rogg, Istanbul

Die türkische Luftwaffe hat am Freitag nahe der syrischen Grenze eine unbemannte Drohne abgeschossen. Nach Angaben des amtierenden Aussenministers Feridun Siniroglu war der Flugkörper unbekannter Herkunft drei Kilometer in den türkischen Luftraum eingedrungen. Trotz dreifacher Warnung habe er den Kurs fortgesetzt, teilte der Generalstab mit. Deshalb sei der Flugkörper den Einsatzregeln der Streitkräfte entsprechend abgeschossen worden.

Keine Einigung mit Brüssel

Die Herkunft der Drohne habe sich bisher nicht bestimmen lassen, sagte Siniroglu. Die staatliche Nachrichtenagentur veröffentlichte indes Bilder, die einen Typ Orlan-10 russischer Bauart zeigten. Aus Moskau hiess es jedoch, alle Drohnen seien in Syrien wie geplant im Einsatz. Seit Russland mit der Bombardierung von Regimegegnern in Syrien begonnen hat, haben russische Kampfjets zweimal den türkischen Luftraum verletzt. Die türkische Regierung drohte daraufhin mit Konsequenzen. Eine russische Militärdelegation weilte Ende dieser Tage zu Gesprächen in Ankara. Die russischen Vertreter entschuldigten sich laut Siniroglu und versprachen, es werde keine weiteren Zwischenfälle geben.

Militärexperten interpretierten den Abschuss am Freitag als Warnschuss. Ankara unterhält gute Beziehungen mit Moskau, die russische Unterstützung für den syrischen Machthaber Bashar al-Asad bringt den Syrien-Kurs der Regierung in Ankara unter zusätzlichen Druck. Aus ihrer Sicht ist Asad die Ursache für die Eskalation – und damit sowohl für die Extremisten des Islamischen Staats (IS) wie für die steigende Zahl von Flüchtlingen verantwortlich.

Angesichts von zwei Millionen syrischen Flüchtlingen, Anschlägen des IS und dem Aufflammen des Kurdenkonflikts kann sich die Türkei immer weniger gegen die Folgen des Kriegs südlich der Grenze abschotten. Diese würden auch Europa erreichen, sagte Ömer Celik, der Sprecher der regierenden Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP), am Freitag. Deshalb habe Ankara schon früh auf die Einrichtung einer Flugverbotszone im Norden von Syrien gedrängt. Darauf setzt die AKP auch weiterhin. Celik dementierte Berichte, wonach es zwischen Brüssel und Ankara eine Einigung in der Flüchtlingsfrage gebe. Die Verhandlungen dauerten an, sagte er. Auf keinen Fall würden sie mit den türkischen EU-Verhandlungen verknüpft. Es werde keinen politischen Kuhhandel geben, sagte Celik.

Warnung an Europa

Celik meinte warnend, die Extremisten würden wie die Flüchtlinge nicht vor den Toren Europas haltmachen. Abgesehen von der Flugverbots- oder Schutzzone in Syrien fordert die türkische Regierung vom Westen Unterstützung im Kampf gegen Terroristen. Dazu zählen für Ankara freilich nicht nur die IS-Extremisten, sondern auch die Kämpfer der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK). Wie schon Partei- und Regierungschef Ahmet Davutoglu nährte auch Celik den Verdacht, die PKK sei in den Doppelanschlag von Ankara verwickelt. Indizien oder gar Beweise präsentierte er keine.

Aus türkischer Sicht ist die PKK eine mindestens so grosse Gefahr für die Sicherheit wie die IS-Extremisten. Nur weil die PKK gegen den IS kämpfe, sei sie nicht weniger gefährlich, betonte Celik. Das müsse auch der Westen erkennen.