FAZ, 23.10.2015 http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/naher-osten/in-wien-finden-gespraeche-ueber-assads-zukunft-statt-13871029.html Gespräche über Syrien Was hat Putin mit Assad vor? Der russische Präsident hat ein Treffen angekündigt, auf dem über die Zukunft Syriens gesprochen werden soll. Westeuropäische Staaten oder die EU sind nicht eingeladen. von Friedrich Schmidt, Moskau Nach dem Überraschungsbesuch von Syriens Machthaber Baschar al Assad am Dienstagabend im Kreml wird über den Inhalt der Gespräche mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin spekuliert. Zumal Putin am Mittwoch mit den Staatsoberhäuptern der Türkei, Saudi-Arabiens, Jordaniens und Ägyptens telefonierte und Moskau über ein Außenministertreffen informierte: In Wien sollen heute die Vertreter Russlands, der Vereinigten Staaten, Saudi-Arabiens und die Türkei über Syrien sprechen. Ein Assad-Verbündeter gegen drei Gegner also. Der Diktator gilt letzteren als Haupthindernis für einen politischen Prozess. Eine ernst gemeinte russische diplomatische Initiative, die für Moskaus „Partner“ akzeptabel wäre, müsste wohl die Aussicht auf einen Abgang Assads beinhalten, vielleicht mit einer „Übergangszeit“ von sechs Monaten. Gegner Assads äußerten anlässlich des Besuchs gar die Hoffnung auf ein Exil in Russland nach dem Muster des gestürzten ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch. Friedrich Schmidt Autor: Friedrich Schmidt, Politischer Korrespondent für Russland und die GUS in Moskau. Folgen: Doch der Kreml teilte am Mittwoch
nur mit, dass es bei den Gesprächen Putins mit Assad um den Fortgang der
Militäroperationen in Syrien gegangen sei. Am Donnerstag fügte Sergej
Iwanow, der Leiter der Präsidialverwaltung, dann hinzu, es sei auch über
„Fragen einer bevorstehenden politischen Regelung“ gesprochen worden.
Mehr Details könne er nicht enthüllen, fügte Iwanow nebulös hinzu. Aus
dem russischen Außenministerium hieß es am Donnerstag, in einem „politischen
Prozess“ müsse Assad als „legitimer“ Präsident „mit der inneren und der
äußeren syrischen Opposition“ verhandeln. Außenminister Sergej Lawrow
warb am Donnerstag während eines Gesprächsforums in Sotschi am Schwarzen
Meer für eine Einbeziehung weiterer Länder, insbesondere Irans, in die
Wiener Gespräche. In einer Sitzung sagte er nach Angaben eines Teilnehmers,
der Abgang Assads in Syrien würde zu nichts führen „außer Chaos“. Aus der Duma, dem Unterhaus, witzelte Alexej Puschkow, der Vorsitzende des Ausschusses für internationale Angelegenheiten, auf Twitter, Tony Abbott und Stephen Harper, bis vor kurzem Ministerpräsidenten Australiens respektive Kanadas, seien „schon Geschichte. Möglich, dass auch viele Führer, die heute den Sturz Assads erwarten, viel früher als er von der Bühne gehen.“ Doch weder Lawrow noch Puschkow haben in der Angelegenheit viel zu melden: Syrien ist Chefsache. Auch Putin trat am Donnerstagabend bei dem Gesprächsforum in Sotschi auf, sprach über das Thema „Krieg und Frieden“. Er sagte in seiner Rede zu Beginn einer Diskussion, die russische Militäraktion in Syrien diene nur der „Wiederherstellung des Friedens“ und warb neuerlich dafür, die Kräfte im Kampf gegen den „Terrorismus“ zu bündeln. Auch etliche (angeblich unabhängige) Politikdeuter in Moskau widmeten sich dem Überraschungstreffen im Kreml. Dmitrij Polikanow vom „Zentrum für Politische Studien“ äußerte, der Besuch solle zeigen, dass Assad keineswegs isoliert, sondern nach Moskau gereist sei, „um das Schicksal seines Landes im Kreml zu entscheiden und nicht in Genf oder Washington“. Der Besuch sei ein Zeichen, dass eine Lösung in Syrien ohne Assad und Syrien unmöglich sei und eine Antwort auf den amerikanischen Präsidenten Barack Obama, der, so Polikanow, über die Lieferung von Stinger-Raketen an Aufständische nachdenke. Das war eine Anspielung auf den Afghanistan-Krieg, in dem Washington die Mudschahedin unterstützte, die sich dank der Raketen auch gegen Luftschläge der sowjetischen Besatzer wehren konnten. Andrej Fjodorow vom „Zentrum für Politische Analysen“, äußerte, der Besuch sei ein Signal, dass Assad für Moskau ein „privilegierter Partner“ bleibe – auch in Richtung Iran, wo man fürchte, dass Moskau bereit sei, Assad in einem „Handel mit dem Westen“ zu opfern. Der Besuch solle das Gerede über einen „baldigen Abgang“ Assads beenden. Bei dem jüngsten Treffen der saudischen, russischen und amerikanischen Außenminister in Doha Anfang August hatte Lawrow laut Moskauer Berichten Putins „Plan“ einer „Anti-Terror-Koalition“ in Syrien unter Einbeziehung Assads vorgeschlagen, war aber auf Ablehnung gestoßen. Womöglich rechnet die Führung in Moskau nun tatsächlich damit, dass sie sich dank ihrer Militärschläge zugunsten der Truppen des Regimes mehr Gewicht am Verhandlungstisch verschafft hat. Ein Erfolg in Wien, wie auch
immer er aussähe, wäre ein Imagegewinn. Die Militärschläge sind teuer,
die Einreihung Russlands in die schiitische Achse mit Iran, Assad und
der Hizbullah ist risikoreich. Andererseits bieten die Militärschläge
Moskau eine willkommene Gelegenheit, den Westen, insbesondere die verhassten
Vereinigten Staaten, vorzuführen. Dem Staatsfernsehen, neben dem Repressionsapparat
Putins wichtigstem Herrschaftsinstrument, bietet der Krieg zudem Anlass
für Jubelberichte, um das heimische Publikum täglich von Russlands Weltmachtrolle
und angeblicher militärischer Überlegenheit zu überzeugen. Etwa mit Bildern
von Kampffliegern, die mit Rockmusik unterlegt sind. Iwan Konowalow vom
„Zentrum für Strategische Konjunktur“ äußerte entsprechend, die Zeit für
eine politische Regelung sei noch nicht gekommen, zunächst müsse sich
die militärische Situation „aufklären“. Aus dem Umfeld des Verteidigungsministeriums
hieß es, die Luftschläge seien erst „im Anfangsstadium“. Den Soldaten
in Syrien sei mitgeteilt worden, dass ihr Dienst im Land „einige Monate“
dauern werde.
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