Süddeutsche Zeitung, 26.10.2015 http://www.sueddeutsche.de/politik/nordirak-waffenlieferungen-an-die-kurden-ja-bitte-1.2708467 Waffenlieferungen an die Kurden? Ja, bitte! Kurdish Peshmerga fighters keep watch during the battle with Islamic State militants on the outskirts of MosulBild vergrößern Ohne deutsche Waffen hätten sie keine Chance: Kurdische Peschmerga-Kämpfer im Januar 2015 nahe Mosul. (Foto: REUTERS) Ein Kommentar von Joachim Käppner Wie so oft schon haben sich in den vergangenen Jahren Flüchtlinge in den uralten Bauten zusammengedrängt. Diese Menschen waren geflohen vor den Bruder- und Religionskriegen, die den Irak seit dem unseligen Feldzug der USA 2003 heimsuchen; die jüngste Geißel des geschundenen Landes ist die Horrormiliz Islamischer Staat (IS). Hunderttausende, nicht nur Kurden, sondern auch Christen, Jesiden und Araber sind vor ihr in die kurdische Autonomieregion im Nordirak geflohen. Im Verhältnis zur Bevölkerung dieses Gebiets wurden dort weit mehr Flüchtlinge aufgenommen als selbst in Deutschland. Auf der Zitadelle von Erbil wehen nicht die schwarzen Fahnen des IS, wohl aber 30 Kilometer vor der Millionenstadt. Hier haben die kurdischen Krieger, die Peschmerga, die Islamisten zum Stehen gebracht, auch mithilfe deutscher Schnellfeuergewehre, Milan-Panzerabwehrraketen und Ausbildern der Bundeswehr, die den Verteidigern den Umgang mit diesen Waffen beibringen. Die Bekämpfung der Fluchtursachen, die Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen derzeit mit Kurdenvertretern in Erbil erörtert, ist in diesem Fall wörtlich zu nehmen: Die Fluchtursache ist erst einmal der IS. Die Deutschen leisten Nothilfe für ein bedrängtes Volk Ein Traum von Kurdistan Seit dessen Sturz 2003 haben die Kurden im Nordirak eine autonome Region aufgebaut, die fast Züge eines eigenen Staates trägt. Diesen verteidigen sie gegen einen gefährlichen und mit erbeuteten Panzern und Kanonen der irakischen Regierungsarmee ausgerüsteten Gegner wie den IS - und ohne die Hilfe der Deutschen und einer internationalen Koalition wäre das vielleicht unmöglich. Die Waffenlieferungen sind eine Nothilfe an die Bedrängten, wie sie etwa in den Dreißigerjahren die demokratischen Mächte Europas den Verteidigern der spanischen Republik gegen die Francofaschisten verweigerten. Niemand kann garantieren, dass nicht Waffen in falsche Hände geraten Die Waffenhilfe für die Kurden hat aber einen politischen Preis. Die Empfänger sind in Fraktionen zerstritten, die prowestlichen irakischen Kurden zudem tendenziell verfeindet mit der linken türkisch-syrischen PKK. Niemand kann garantieren, dass nicht Waffen in falsche Hände geraten. Gut möglich auch, dass die Waffen einen Prozess vorantreiben, vor dem von der Leyen ausdrücklich warnte: den Zerfall des Staates Irak, indem sich das ölreiche Herrschaftsgebiet der Kurden von ihm löst. Berlin möchte das nicht, schon aus Rücksicht auf andere Staaten mit kurdischen Minderheiten: die Türkei, Iran, von Syrien ganz abgesehen. Das sind die Risiken der Militärhilfe. Aber sie ist allemal besser, als einfach wegzusehen, wenn ein Volk um sein Leben kämpft.
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