FAZ, 01.11.2015 http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/europa/tuerkei/kurden-die-heimlichen-herrscher-von-diyarbakir-13885170.html?printPagedArticle=true#pageIndex_2 Kurden in der Türkei Die heimlichen Herrscher von Diyarbakir Im Westen genießt die türkische Kurdenpartei HDP einen guten Ruf. In den Kurdengebieten im Osten jedoch mehrt sich die Kritik an ihren autoritären Strukturen. Wie unabhängig sind die HDP-Politiker, die an diesem Sonntag gewählt werden wollen, von der terroristischen PKK? 01.11.2015, von Michael Martens, Diyarbakir Masked members of
YDG-H, youth wing of the outlawed Kurdistan Workers Party (PKK), shout
slogans as they hold a portrait of Kurdistan Workers Party (PKK)'s jailed
leader Abdullah Ocalan Der Widerspruch im Leben von Galip Ensarioglu lässt sich in zwei Sätzen zusammenfassen. Erstens: Herr Ensarioglu ist Kurde. Zweitens: Er kandidiert bei der Parlamentswahl an diesem Sonntag in der südostanatolischen Kurdenhochburg Diyarbakir für die türkische Regierungspartei AKP von Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan. Das ist ungefähr so, als bewerbe sich ein Kandidat von Pegida in Kreuzberg um das Bürgermeisteramt. Elf Abgeordnete entsendet Diyarbakir in das Parlament in Ankara, und bei der vorigen Wahl im Juni gingen zehn Mandate an die „Demokratische Partei der Völker“ (HDP) des kurdischen Oppositionsführers Selahattin Demirtas. Eines fiel an die AKP. In Diyarbakir herrschen also klare Verhältnisse. Michael Martens Autor: Michael Martens, Korrespondent für südosteuropäische Länder mit Sitz in Athen. Folgen: „Politik ist nichts für Feiglinge“, antwortet Galip Ensarioglu auf die Frage, ob es Mut braucht, um in diesen Zeiten als Kurde für Erdogans Partei in den Wahlkampf zu ziehen. Die Kurden sind in der Türkei trotz vieler Fortschritte immer noch systematischen Benachteiligungen ausgesetzt, es gibt keinen Schulunterricht auf Kurdisch, die türkische Verfassung ignoriert ihre Existenz – doch Erdogan behauptet auf Wahlkundgebungen, in der Türkei gebe es kein Kurdenproblem. Wie erklärt Herr Ensarioglu solch eine Aussage seinen kurdischen Wählern, die das in ihrem Alltag ganz anders erleben? Er glaube, Erdogan sei missverstanden worden, sagt Galip Ensarioglu und benötigt dann ziemlich viele Sätze, um zu erklären, was mit dem einen Satz von Erdogan alles nicht gemeint gewesen sei. Er zählt die prokurdischen
Reformen der vergangenen Jahre auf: An einigen Universitäten gibt es inzwischen
Institute, an denen Kurdisch gelehrt wird, und ab der fünften Klasse darf
die Sprache eine Stunde pro Woche als Wahlfach an staatlichen Schulen
belegt werden. Fernsehsender und Radiostationen senden Programme auf Kurdisch,
Angeklagte dürfen sich vor Gericht auf Kurdisch verteidigen. „Aber natürlich
haben unsere kurdischen Schwestern und Brüder immer noch Schwierigkeiten
mit ihren demokratischen Forderungen. Erdogan sagt, dass wir auch diese
Schwierigkeiten lösen werden“, versichert der rhetorische Gratwanderer
Ensarioglu. Allzu viele seiner kurdischen Brüder und Schwestern wird er davon aber wohl auch an diesem Sonntag nicht überzeugen können. Im Juni erhielt die AKP in Diyarbakir nur 14 Prozent der Stimmen. Sie ist hier nur eine bessere Splitterpartei, gewählt vor allem von türkischen Beamten und Soldaten, die in die Stadt entsandt sind. Für die HDP stimmten im Juni dagegen 80 Prozent der Wähler. Co-chairman of the pro-Kurdish
Peoples' Democratic Party Demirtas is surrounded by residents upon his
arrival to the southeastern town of Cizre in Sirnak province © Reuters In Europa gilt die HDP als
das moderne, weltoffene Gesicht der Türkei: Sie setzt sich für die Rechte
von Lesben, Schwulen, Linken, Aleviten, Atheisten und vielen anderen Gruppen
ein, die im sunnitisch-nationalistischen Weltbild Erdogans und seiner
Partei keinen Platz haben. Während Frauen für die alten Herren von der
AKP ihre Daseinsbestimmung zwischen Küche und Kreißsaal haben, nehmen
sie in der HDP exakt die Hälfte aller Führungsposten ein. Das kommt gut
an im Westen. Was die Frauen der HDP genau sagen oder tun, für welche
Werte sie eigentlich stehen, danach wird seltener gefragt – Hauptsache,
Frau. Und doch stehen die Kurden keineswegs geschlossen hinter der HDP.
Vor allem unter gebildeten, liberalen Wählern mehrt sich Kritik, nur bekommt
das Ausland davon wenig mit. Wer sich in Diyarbakir umhört, wird schnell
Kurden finden, die eine andere Geschichte der HDP erzählen als jene, die
im Ausland und im Westen der Türkei verbreitet ist. Serdar Bülent ist einer von ihnen. Wir treffen uns in einem Teehaus am Rande eines Parks in Diyarbakir. Die Anlage ist nur wenige Jahre alt, gepflegt und weiträumig, eine grüne Oase in der dichtbebauten Millionenstadt. Das immerhin müsse man der HDP lassen, sie habe viele Grünanlagen in den Neubaugebieten errichtet, sagt Bülent. Er ist Vorsitzender des lokalen Zweigs einer türkischen Menschenrechtsorganisation, die sich für das Recht auf Bildung einsetzt, was in der Türkei angesichts des miserablen staatlichen Schulwesens und der horrenden Gebühren für Privatschulen eine wichtige Aufgabe ist. Herr Bülent macht gleich zu Beginn des Gesprächs deutlich, dass er kein Anhänger der AKP oder der staatlichen Kurdenpolitik sei, im Gegenteil. Er echauffiert sich über die Scheinreform zur Besserstellung der kurdischen Sprache, mit der sich Erdogan gern brüstet. Gerade einmal eine Stunde in der Woche darf Kurdisch jetzt gelehrt werden, ab der fünften Klasse. Verlogen sei das, sagt Bülent. „So kann man keine Sprache lehren. Der Staat sollte den Unterricht in der Muttersprache endlich ernst nehmen.“ Auch sonst spart der Kurde
nicht mit Kritik an der AKP. Doch Serdar Bülent wundert sich auch über
das weichgespülte Bild von der HDP, das unter Leuten kursiere, die nicht
wüssten, wie es in Südostanatolien zugehe. Denn die HDP sei nun einmal
der politische Arm der PKK, der „Arbeiterpartei Kurdistans“, einer Terrororganisation.
„Es trifft vollkommen zu, wenn Erdogan sagt, dass die HDP die Verlängerung
der PKK ist. Ich unterstütze die AKP nicht, aber das ist eine Tatsache,
und jeder hier weiß das.“ Bülent nennt ein Beispiel, das vor einigen Jahren für Aufsehen sorgte, als Osman Baydemir zum Bürgermeister von Diyarbakir gewählt worden war. Baydemir ist ein eloquenter und populärer Politiker, doch in der Gemeindeverwaltung wurde er nach seinem Erfolg streng von einem anderen Kurden verhört. Es war ein Beamter, den die PKK dort installiert hatte. Mitschnitte des Gesprächs gelangten an die Öffentlichkeit, ihre Authentizität wurde nie bestritten. Aus den Aufnahmen werde deutlich, dass der von der PKK ernannte Gemeindemitarbeiter in der Hierarchie über dem gewählten Bürgermeister stand. „In Diyarbakir hat nämlich stets die PKK das letzte Wort, nicht ein gewählter Politiker“, sagt Bülent. Auch der im Ausland beliebte Parteichef Demirtas sei nicht unabhängig von der PKK. „Er verdankt seinen Führungsposten der PKK. Sein Bruder ist ja selbst in den Bergen. Das System der PKK ist nicht demokratisch. Jede Entscheidung fällt durch Befehle, Kongresse sind nur zum Schein da.“ Ohne Unterstützung der PKK könne niemand etwas werden in der HDP, sagt Bülent. Dass die Kurdenparteien unter
dem Einfluss der PKK stehen, ist freilich nichts Neues, das gibt auch
Serdar Bülent zu. Doch die Abhängigkeit sei in den vergangenen zwei Jahren
größer geworden, also genau in der Zeit, als Ankara mit der PKK über eine
friedliche Lösung des Konflikts zwischen dem türkischen Staat und den
Kurden verhandelte. In dieser Zeit hat die Regierung der PKK im Südosten
des Landes freie Hand zur Herrschaft über die Kurden gegeben, so lange
keine Soldaten und Polizisten angegriffen wurden. Das hat bis heute fatale Folgen für jene Kurden, die aus verschiedenen Gründen bei der PKK nicht wohlgelitten sind. „Die PKK sieht sich keinen moralischen oder rechtlichen Werten unterworfen“, sagt Bülent. Füge der Staat einem Bürger Unrecht zu, könne der vor Gericht ziehen, zur Not bis zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg, wo die Türkei nach Russland das am häufigsten verurteilte Land ist. Wer jedoch ins Fadenkreuz der PKK gerate, könne auf niemanden hoffen. „Daher kann die PKK machen, was sie will. Sie treibt ihre eigenen Steuern ein und entführt die Kinder von Leuten, die nicht zahlen. Solche Dinge sind hier Alltag.“ Er sei immer wieder überrascht, dass man im Ausland so wenig darüber wisse, sagt Bülent. Aber ist er selbst nicht eine
lebende Widerlegung der Ansicht, die PKK herrsche mit diktatorischen Mitteln?
Und gehen nicht Tausende Kurden Jahr für Jahr freiwillig „in die Berge“,
also zur PKK? Natürlich gebe es das, antwortet Bülent. „Wir haben es hier
mit einer Gesellschaft zu tun, die traumatische Erfahrungen hinter sich
hat. Sie hat ihre Rationalität verloren. Aus diesen Massen kann die PKK
Nachwuchs rekrutieren. Gerade bei jungen Kurden ist sie sehr beliebt.“
Offen geäußerte Kritik an der PKK sei möglich, aber eine Frage der Risikoabwägung.
Nur wer bereit sei, den Preis dafür zu zahlen, sollte die PKK kritisieren. In Diyarbakir sei es leichter, Erdogan oder den türkischen Staat anzugreifen, als die PKK. „Der Preis für Kritik an der PKK kann der Tod sein, das Verbrennen von Autos, Häusern, Büros. Ich habe viele Drohungen bekommen.“ In der Grenzprovinz Van wurde ein Büro von Bülents Organisation beschossen und mit Molotowcocktails angegriffen, in einem Stadtteil von Diyarbakir ebenfalls. „Unsere Leute wurden mit Steinen beworfen. Viele wurden verleumdet.“ Dass er sich als Menschenrechtler für die Rechte der Kurden einsetze, mache für die PKK keinen Unterschied, weil es außerhalb ihrer Kontrolle geschehe. Dennoch könne es durchaus sinnvoll
sein, bei der Parlamentswahl an diesem Sonntag für die HDP zu stimmen,
sagt Bülent in einer zunächst überraschenden Wendung seiner Ausführungen.
Eine Stimme für die HDP, erläutert er, sei schließlich eine Stimme für
eine politische Lösung des Kurdenkonflikts. „Daraus bezieht die HDP ihre
Legitimität, und von dort sollte sie auch ihre Eigenständigkeit beziehen.“
Die HDP müsse sich der Vormundschaft durch die PKK entziehen, so wie die
AKP die Kontrolle des Militärs abgeschüttelt habe. Doch sehe es nicht
so aus, als könne die HDP diesen Weg gehen. „Es gibt einige PKK-Kritiker
in der Partei, aber sie dürfen nicht offen reden. Die HDP folgt weiter
den Anweisungen der PKK.“ Der Einzige, dem Bülent zutraut, diesen Zustand zu beenden, ist ein Mann, der seit 16 Jahren im Gefängnis sitzt und dort nach dem Willen des türkischen Staates auch sterben soll: Nur wenn Abdullah Öcalan, der zu lebenslanger Haft verurteilte PKK-Führer, die Kurden dazu aufriefe, eine politisch unabhängige HDP zu unterstützen, könne das Wirkung haben, vermutet Bülent. Das Argument ist von PKK-Kritikern oft zu hören, doch niemand weiß, was der seit 1999 auf einer Insel im Marmarameer inhaftierte Kurdenführer eigentlich will. Will er in die Geschichte eingehen als Mann, der den türkischen Kurden Frieden und Gleichberechtigung gebracht hat? Oder will er als Vorkämpfer einer pan-kurdischen Bewegung gelten, als „Atakürd“, Vater aller Kurden in der Türkei, in Syrien, Iran und dem Irak? Auch Serdar Bülent hat keine Antwort darauf. Gewiss sei nur: Wer die PKK schwächen wolle, müsse den Kurden der Türkei die volle politische Gleichberechtigung geben – ohne Vorbedingungen. Und ohne die PKK zu fragen. Abdullah Öcalan © dpa Auch Vahap Coskun von der Tigris-Universität in Diyarbakir gehört zu den Kurden, die es wagen, die PKK öffentlich zu kritisieren. Die Terrorgruppe versuche, ihre Macht in der Region zu erhalten „und jede Kraft zu unterdrücken, die sich ihr in den Weg stellen könnte“, stellt er fest. Besondere Sorge bereite ihm die 2013 erstmals in Erscheinung getretene Jugendorganisation der PKK. „Die PKK hat großen Einfluss auf Kinder und Jugendliche. Sie ist sehr erfolgreich darin, sie für ihre Ziele zu mobilisieren.“ Mit Hilfe vor allem minderjähriger,
vermummter Anhänger habe die PKK damit begonnen, in von ihr kontrollierten
Städten Steuern einzutreiben, Straßen zu sperren, Razzien zu veranstalten.
Sie nehme sogar Personenkontrollen vor und habe ein eigenes Justizwesen
geschaffen. „Dabei spielt ihre Jugendorganisation eine wichtige Rolle.
Jugendliche kontrollieren Passanten, und wenn jemand als Folge solcher
Kontrollen zum Verhör muss, bringen sie ihn zu den inoffiziellen Gerichtshöfen
der PKK.“ Über die Jugendlichen verfolge die PKK das Ziel, den Konflikt
aus den Bergen in die Städte zu tragen, sagt Coskun und spricht von einer
„Politik der bewussten Zuspitzung“, bei der zivile Opfer Teil des Kalküls
seien. Die PKK spekuliere auf überzogene Reaktionen der Sicherheitskräfte, um die Kluft zwischen den Kurden und dem türkischen Staat weiter zu vertiefen. „Das ist absolut nicht akzeptabel. Die Strategie, den Krieg in die Städte zu tragen, schadet Kurdistan und den Kurden“, urteilt Coskun. „Vollkommen absurd“ nennt er auch die Ausrufung „selbstverwalteter Zonen“ durch die PKK. „In den Orten, wo solche Zonen ausgerufen wurden, hat die HDP 80 Prozent der Stimmen bekommen, sie stellt die Gemeinderäte. Wer dort selbstverwaltete Zonen ausruft, sagt damit, dass er die gewählte lokale Regierung nicht anerkennt. So kriminalisiert die PKK die gewählten Bürgermeister.“ Die müssten dann auf Druck der PKK verkünden, dass sie die türkische Staatsmacht nicht länger anerkennen. Natürlich werde gegen einen solchen Bürgermeister dann eine Untersuchung eingeleitet. Und genau das sei das Ziel der PKK. Neue App Das neue Angebot für den klugen
Überblick: Die wichtigsten Nachrichten und Kommentare der letzten 24 Stunden
– aus der Redaktion der F.A.Z. Der Terrorgruppe gehe es darum,
den Einfluss der Politik zu begrenzen. „Für die türkischen Parteien war
es hart, den Erfolg der HDP zu verkraften, aber die PKK hat noch größere
Schwierigkeiten damit. Alle blicken immer darauf, was Erdogan gegen die
HDP sagt. Aber was die PKK gegen Demirtas und die HDP sagt, ist noch schlimmer.“
Die Politik der „selbstverwalteten Zonen“ sei darauf angelegt, die HDP-Bürgermeister
ins Gefängnis zu bringen, um dann sagen zu können: „Ihr seht ja, unsere
Bürgermeister wurden verhaftet, nun ist der bewaffnete Kampf der einzige
Ausweg.“ Noch übler sei der PKK-Aufruf zum „revolutionären Volkskrieg“. Den gab es schon einmal, vom Sommer 2011 bis Ende 2012. „Dabei sind 1500 Menschen getötet worden, und nichts wurde erreicht.“ Deshalb finde der Aufruf zum Krieg bei den meisten Kurden auch keine Unterstützung. Die Türkei sei schließlich nicht Syrien, wo den Menschen eine legale politische Tätigkeit verwehrt sei. „Die HDP ist die drittgrößte Partei im Parlament, sie regiert in 102 Gemeinden. Die Menschen haben gesehen, dass sie durch politische Betätigung etwas erreichen können. Für den Krieg der PKK gibt es keine Rechtfertigung“, so Coskun. Infografik / Karte / Türkei
/ Diyarbakir © F.A.Z. Selbst in der südostanatolischen Stadt Cizre, wo im Sommer für mehrere Tage eine Ausgangssperre verhängt wurde und türkische Sicherheitskräfte ein übles Regime führten, habe sich die Mehrheit nicht dem Aufruf der PKK nach einem „revolutionären Volkskrieg“ angeschlossen. „Sie hatten Angst, saßen in ihren Häusern und warteten darauf, dass die Gewalt zu Ende geht.“ Ähnlich sagt es auch Serdar Bülent: „In Cizre hat die PKK versucht, es so aussehen zu lassen, als ob die gesamte Bevölkerung sich gegen den türkischen Staat erhoben hätte, aber so war es nicht. Die Bevölkerung dort wurde gezwungen, an diesen Protesten teilzunehmen, aber das führt nicht zu einem sozialen Aufstand oder gar zu einem ,revolutionären Volkskrieg‘, wie die PKK es nennt.“ Wahl in der Türkei: Erdogans
Wette Man solle einmal die Probe aufs Exempel machen und versuchen, einen HDP-Politiker dazu zu bringen, einen Terroranschlag der PKK eindeutig zu verurteilen: Das werde misslingen, hatte ein PKK-Kritiker gesagt. Man werde nur allgemeine Sätze darüber zu hören bekommen, dass Gewalt keine Lösung und Frieden das Ziel sei. Tatsächlich ergab sich im Gespräch mit Firat Anli, dem Bürgermeister Diyarbakirs, die Gelegenheit zu einer solchen Frage. Wenige Stunden vor dem Treffen war wieder ein von der PKK ferngezündeter Sprengsatz explodiert und hatte mehrere türkische Polizisten in den Tod gerissen. Ist so etwas nun Terrorismus oder nicht, Herr Bürgermeister? Die Antwort fiel aus wie prophezeit:
„Zunächst einmal ist es natürlich unmöglich, dass es in Kriegszuständen
nicht zu einer Verletzung des Rechts auf Leben kommt“, begann der Bürgermeister
seine Antwort, in der es dann viel um Frieden und Verhandlungen ging,
nur nicht darum, dass Terror immer Terror ist. „Wir glauben nicht daran,
dass dieses Problem durch eine Fortsetzung der Gewalt und eine Vertiefung
des Konflikts zwischen der PKK und dem Staat gelöst werden kann. Kurdische
Mütter weinen schon seit langem auch um tote türkische Soldaten und Polizisten“,
sagte der Bürgermeister.
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