Neues Deutschland, 03.11.2015

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Türkische Luftwaffe setzt Angriffe gegen PKK fort

Luftangriffe in der Provinz Hakkari und im Norden Iraks / 35 Anhänger des Predigers Gülen in der Türkei festgenommen / Regierung bestreitet Beeinträchtigung der Pressefreiheit

Die türkische Regierung setzt auch nach dem AKP-Wahlsieg ihren harten Kurs fort - mit Luftschlägen gegen Kurden in der Türkei und außerhalb. Und die Polizei geht gegen mutmaßliche Anhänger des Predigers Gülen vor.

Ankara. Erstmals seit dem Sieg der regierenden islamisch-konservativen AKP-Partei bei den Parlamentswahlen hat die türkische Luftwaffe Angriffe auf mutmaßliche Stellungen der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) geflogen. Wie der Generalstab am Dienstag mitteilte, richteten sich die Angriffe vom Montag auf »Verstecke und Waffenlager« der PKK in der Provinz Hakkari und im Norden Iraks. Die Nachrichtenagentur DHA berichtete, im Bezirk Silvan in der Kurdenprovinz Diyarbakir sei die Polizei gegen eine Jugendorganisation der PKK vorgegangen. Dabei sei ein 22-jähriger Mann getötet worden. Über drei Viertel des Bezirks sei eine Ausgangssperre verhängt worden.

Bei einer Razzia in 18 türkischen Provinzen sind am Dienstag nach Medieninformationen mindestens 35 mutmaßliche Anhänger des Predigers Fethullah Gülen festgenommen worden. Die Nachrichtenagentur Dogan meldete eine Polizeirazzia in der westlichen Küstenstadt Izmir. Unter den Festgenommenen sind demnach hochrangige Verwaltungsbeamte und Polizisten.

Der in den USA lebende Gülen und seine Anhänger in der Türkei zählten lange zu den Unterstützern von Präsident Recep Tayyip Erdogan und dessen islamisch-konservativer Regierungspartei AKP. Nach einem Zerwürfnis im Jahr 2013 ließ Erdogan mit Massenversetzungen und Entlassungen vor allem im Justiz- und Polizeiapparat tausende Gülen-Anhänger aus staatlichen Institutionen entfernen. Dabei ging es vor allem um Korruptionsvorwürfe gegen Regierungsvertreter.

Gülen, der ein großes Netz an Schulen, Unternehmen und Hilfsorganisationen leitet, wies die Beschuldigungen stets zurück. Es gilt als wenig wahrscheinlich, dass die USA ihn an die Türkei ausliefern, obwohl inzwischen ein Haftbefehl gegen ihn ausgestellt wurde. Wegen versuchten Staatsstreichs soll daher ab dem 6. Januar in Abwesenheit gegen Gülen verhandelt werden.

Vize-Ministerpräsident Yalcin Akdogan bestritt am Dienstag im türkischen Nachrichtensender NTV Beeinträchtigungen der Pressefreiheit. »Es gibt keinen Druck auf Medien, niemand muss in diesem Land schweigen«, sagte Akdogan. Am Montag hatte die Polizei zwei leitende Mitarbeiter einer Zeitschrift festgenommen, die den Sieg der regierenden islamisch-konservativen AKP bei der Parlamentswahl am Sonntag auf der Titelseite als »Anfang des Bürgerkriegs in der Türkei« bezeichnet hatte.

»Abweichungen« vom Gesetz und »Beleidigungen« seien nicht zulässig, sagte Akdogan. In den vergangenen Wochen waren die Behörden wiederholt gegen Erdogan-kritische Medien vorgegangen. So wurde vor laufender Kamera der Sitz eines Medienkonzerns gestürmt und die Kontrolle über zwei Fernsehsender übernommen. Die Polizei setzte dabei Tränengas und Wasserwerfer ein. Agenturen/nd