spiegel.de, 08.11.2015

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Trotz Drängen der EU: Iran hält Diktator Assad die Treue

Von Peter Müller, Teheran

Nach dem erfolgreichen Atom-Deal setzen Europas Spitzenpolitiker auf den Einfluss Irans, um den Bürgerkrieg in Syrien zu beenden. Doch der Besuch von EU-Parlamentspräsident Martin Schulz in Teheran zeigt, wie weit der Weg noch ist.

Martin Schulz hat alles versucht. Der EU-Parlamentspräsident hat mit dem Staatspräsidenten des Iran gesprochen, mit dem Außenminister und seinem Kollegen, dem Parlamentschef, und das alles an einem Tag. Doch trotz seines beharrlichen Werbens konnte der SPD-Mann bei der entscheidenden Frage seiner Gespräche keinen Durchbruch erreichen. Iran behält seine schützende Hand über Syriens Diktator Baschar al-Assad. Zumindest fürs Erste.

"Ich glaube nicht, dass es langfristig eine Zukunft für Herrn Assad in Syrien gibt", sagte Schulz nach dem Gespräch mit Präsident Hassan Rohani am Samstagabend in Teheran. "Eine Regierung, die Bomben auf Teile ihres eigenen Volkes schmeißt, muss sich dafür sicher irgendwann rechtfertigen", hatte er wenige Stunden zuvor nach dem Treffen mit Parlamentspräsident Ali Larijani noch schärfer formuliert. Der Iraner konterte freundlich, aber bestimmt: "Das Problem Syriens ist nicht das Problem einer bestimmten Person."

Ganz überraschend kommt das nicht, und im Grunde ist Schulz schon froh, wenn der Gesprächsfaden zu den Iranern in Sachen Syrien nicht abreißt. Die Europäer wollen die positive Stimmung nutzen, die durch den erfolgreichen Abschluss der Atomverhandlungen entstanden ist und den sanften Wind des Wandels, der daraus entstehen könnte. Darum geht es.

Am kommenden Donnerstag steht in Wien die zweite Runde der Gespräche über Syrien an, dabei sitzen nicht nur die fünf Vetostaaten des UN-Sicherheitsrates und Deutschland mit am Tisch, sondern auch Regionalmächte, ohne die die Zukunft Syriens nicht geregelt werden kann: Iran also vor allem und Saudi-Arabien. Allein, dass es diese Treffen gibt, ist ein Erfolg.

Iran verbittet sich Einfluss von außen

Für die Europäer sind die Gespräche schon deswegen wichtig, weil eine Befriedung des Syrienkonfliktes helfen würde, den Flüchtlingsstrom Richtung Deutschland zu stoppen, zumindest aber zu reduzieren. Vor seiner Reise hatte sich Schulz mit Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) kurzgeschlossen und der EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini. Frankreichs Außenamtschef Laurent Fabius erreichte ihn noch kurz vor Abflug auf dem Rollfeld am Wiener Flughafen.

In Teheran versuchte Schulz, Brücken zu bauen. "Das Ziel, dass es irgendwann freie Wahlen in Syrien gibt, ist ein gemeinsames Ziel", sagte er bei einer Pressekonferenz. Parlamentspräsident Larijani jedoch verbat sich Einfluss von außen. Syrien müsse selbst seinen "demokratischen Ansatz suchen." Belehrungen der Europäer hält er für fehl am Platz, wie er sehr deutlich machte. "Ein Problem, das immer größer wird, ist, dass Ausländer aus Europa und Amerika zu den Terroristen gestoßen sind."

Doch ganz so hartleibig, wie sich die Iraner nach außen geben, waren sie in den Gesprächen mit Schulz nicht. Immer wieder wurde dem EU-Parlamentspräsidenten die Sorge vorgetragen, dass sich der Westen auch an seine Verpflichtung aus dem Atom-Deal halte - vor allem an die Aufhebung der Wirtschaftssanktionen knüpfen sich in dem Land große Hoffnungen.

Über Menschenrechte wurde auch gesprochen

Mit Schulz reiste zum ersten Mal ein Präsident der europäischen Institutionen in den Iran. Entsprechend hektisch waren die Vorbereitungen auf iranischer Seite, das Programm wurde fast ausschließlich von Teheran erarbeitet, die Europäer hatten wenig Einfluss. An der Uni kam so zum Beispiel keine Begegnung mit Studenten zustande, die Schulz sich gewünscht hätte. Selbst die Professoren dort hatten erst zwei Tage vor der Visite Bescheid bekommen, dass der EU-Mann vorbeischauen würde.

Einer interessanten Diskussion tat das aber keinen Abbruch. Sogar das Thema Menschenrechte kam zur Sprache - die Gastgeber schnitten es selbst an. Er würde sich wünschen, sagte ein Professor beim Termin an der Teheraner Universität, dass das Europäische Parlament sich bei seinen Resolutionen zu den Menschenrechten etwas mehr zurückhalte - und sich auch mal mit der Lage in Saudi-Arabien beschäftige.

Schulz blieb ruhig. Eine Sitzung leitete er mit dem Spruch eines bekannten iranischen Dichters ein, den ihm sein Sohn vor der Abreise mit auf dem Weg gegeben hatte: "Jenseits von richtig und falsch gibt es einen Ort. Dort treffen wir uns."