Neue Zürcher Zeitung, 11.11.2015

http://www.nzz.ch/international/russland-will-eine-neue-verfassung-fuer-syrien-1.18644658

Syrien-Konflikt

Russland will eine neue Verfassung für Syrien

Russland schlägt zur Beendigung des Bürgerkriegs in Syrien eine neue Verfassung sowie vorgezogene Präsidentschaftswahlen für das Land vor. Über das weitere Schicksal Asads steht in dem russischen Dokument nichts Konkretes.

Russland will den Konflikt in Syrien mit einer neuen Verfassung für das Bürgerkriegsland lösen. Der entsprechende Entwurf solle binnen 18 Monaten stehen und bei einem Referendum zur Abstimmung gebracht werden. Danach sollte eine vorgezogene Präsidentenwahl folgen, hiess es in einem von Moskau bei den Vereinten Nationen zirkulierten Dokument, das der Nachrichtenagentur AP vorlag.

Rücktritt Asads unerwähnt

Von einem Rücktritt des syrischen Präsidenten Bashar al-Asad in der Übergangszeit ist im russischen Dokument keine Rede. Allerdings ist Asads Abgang eine Schlüsselforderung der syrischen Opposition. In dem Papier hiess es lediglich, Asad «wird nicht den Vorsitz der Verfassungskommission innehaben.» Ein solches Gremium soll nach Ansicht Russlands das «gesamte Spektrum der syrischen Gesellschaft umfassen», darunter Kräfte der Opposition im In- und Ausland.

Zudem sollen die für Frühling 2016 geplanten Parlamentswahl verschoben werden und zeitgleich mit der Präsidentschaftswahl auf Basis der neuen Verfassung stattfinden, schlägt Moskau im Papier vor. Asad war 2014 für eine weitere siebenjährige Amtszeit bei einem Urnengang bestätigt worden, den die Opposition mit Blick auf den tobenden Bürgerkrieg als Farce zurückwies.

Schaffung einer internationalen Hilfsgruppe

Ein weiterer Vorschlag Russlands sieht den Einsatz des Syrien-Sondergesandten der Uno, Staffan de Mistura vor. Dieser soll mit einem politischen Prozess zwischen der Regierung in Damaskus und «einer geeinten Delegation der Oppositionsgruppen» beginnen. Dies solle auf Grundlage einer im Juni 2012 von den Weltmächten in Genf vereinbarten Mitteilung geschehen, in der die Bildung einer Übergangsregierung für Syrien gefordert wird.

Im Dokument regte Moskau zudem die Schaffung einer Hilfsgruppe für Syrien an. Diese solle die Konfliktparteien bei Verhandlungen unterstützen, um ein «gegenseitiges Einvernehmen» zu erzielen. Der Gruppe soll demnach viele der Akteure angehören, die bei dem Wiener Syrien-Gipfel am Tisch sitzen.

Russisches Bedauern über Veröffentlichung

Das russische Papier geriet vor der für Samstag geplanten zweiten Runde der Gespräche in der österreichischen Hauptstadt Wien in Umlauf. Der stellvertretende russische Uno-Botschafter Wladimir Safronkow äusserte gegenüber der Nachrichtenagentur AP sein Bedauern, dass das Dokument an die Öffentlichkeit gelangt sei. Gleichwohl sei man für Vorschläge von der anderen Seite offen, sagte er.

Der britische Uno-Botschafter Matthew Rycroft sagte, das Dokument sei zwar bei einer Sitzung des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen am Dienstag nicht zur Sprache gekommen, doch wisse man von den russischen Vorschlägen.

Russische Luftangriffe gegen Terroristen

Russland, der engste Verbündete der syrischen Regierung, hat Ende September mit Luftangriffen in Syrien begonnen. Nach Angaben des Kremls sollen diese Terroristen gelten. Doch Hinweise verdichten sich, dass bei den russischen Attacken Kräfte der moderaten syrischen Opposition getroffen und Zivilisten getötet werden.

USA und Russland verbessern Absprachen

Die USA und Russland stehen wegen ihres militärischen Engagements in Syrien in engem Kontakt. Laut dem amerikanischen Luftwaffen-General Herbert Carlisle hat sich die Kommunikation zwischen den Armeeführungen seit dem Beginn der russischen Luftangriffe deutlich verbessert.

Der General sagte, die Armeeführungen sprächen zwei Mal täglich miteinander. Es gäbe eine «Hotline.» Beide Seiten seien daran interessiert, dass es zu «keinen gefährlichen Situationen» komme. Dazu habe auch eine Vereinbarung zur Vermeidung von Zwischenfällen beigetragen, die Ende Oktober unterzeichnet wurde. Darin wurden Regeln für Kampfpiloten beider Länder festgelegt.

Das amerikanische Verteidigungsministerium betonte am Dienstag jedoch, dass die verbesserte Kommunikation keine grundsätzliche Verständigung zwischen Washington und Moskau im Syrien-Konflikt bedeute.