welt.de, 11.11.2015

http://www.welt.de/regionales/hamburg/article148699295/Wie-Hamburg-gegen-Salafisten-kaempft.html

Radikalismus

Wie Hamburg gegen Salafisten kämpft

Der Senat verlängert ein Aktionsprogramm gegen religiösen Radikalismus. Hintergrund ist die zunehmende Rekrutierung von Jugendlichen in Hamburg. Das reicht der Opposition allerdings nicht. Von Philipp Woldin

Der rot-grüne Senat will sein im vergangenen Jahr gestartetes Programm gegen gewaltbereiten Salafismus fortsetzen und sogar verlängern. Die Fraktionen wollen eine Verlängerung des Maßnahmenpaketes über den 31. Dezember 2016 hinaus beschließen, am heutigen Mittwoch wird ein entsprechender Antrag in die Bürgerschaft eingebracht.

Teil des präventiv arbeitenden Beratungsnetzwerks Prävention und Deradikalisierung sind bisher die federführende Sozialbehörde, dazu gehören auch Verbände wie der Rat der Islamischen Gemeinden Schura, die islamische Religionsgemeinschaft Ditib und die alevitische Gemeinde, aber auch die im Juli gegründete Deradikalisierungsstelle legato, die Angehörige von radikalisierten Jugendlichen berät.

Die salafistischen Gruppierungen werben in Hamburg immer offensiver (Link: http://www.welt.de/146354282) um Anhänger, verstärkt auch um junge Frauen (Link: http://www.welt.de/147236035) . Laut Zahlen von Anfang Oktober sind 65 Personen aus Hamburg in den Irak und nach Syrien gereist, darunter rund 13 Frauen. Besonders drei Gruppierungen (Link: http://www.welt.de/146640066) sind in der Stadt aktiv: Die Lies!-Aktivisten, die Gruppe Siegel der Propheten und das Dawah Movement Hamburg. Zuletzt kam es im Umfeld von Flüchtlingsunterkünften (Link: http://www.welt.de/146220804) immer wieder zu Anwerbeversuchen.

Wirksamkeit der Projekte auf dem Prüfstand

Filiz Demirel, migrationspolitische Sprecherin der Grünen Bürgerschaftsfraktion, sagte: "Präventionsarbeit ist der wichtigste Ansatz. Daher wollen wir die Maßnahmen gegen religiösen Extremismus in Hamburg fortsetzen und erweitern. Weil salafistische Bewegungen immer neue Rekrutierungswege einschlagen, müssen wir unsere Angebote auf ihre Wirksamkeit prüfen – zum Beispiel hinsichtlich der Koran-Verteilungen vor Flüchtlingsunterkünften." Kazim Abaci, Fachsprecher Migration, Integration und Flüchtlingspolitik der SPD-Bürgerschaftsfraktion, sagte: "Welche Ansätze darüber hinaus gegebenenfalls noch verstärkt oder fortentwickelt werden müssen, werden wir uns im Laufe des kommenden Jahres sehr genau anschauen." Denn die Projekte sollen auch verstärkt auf ihre Wirksamkeit und die Erreichung der Ziele geprüft werden. Der Senat soll der Bürgerschaft alle zwei Jahre Bericht erstatten, erstmals zum 30. Juni 2016.

Kritik kommt von der FDP: "Heute verkündet Rot-Grün lautstark, man wolle dieses offenbar nicht vollständig zum Laufen gebrachte Programm verlängern, statt es überhaupt zu etablieren. Das ist angesichts der Entwicklung in der Flüchtlingskrise absurd: Wir müssen jetzt rasch handeln, um Salafisten unter anderem daran zu hindern, in den Flüchtlingslagern erfolgreich zu agitieren", sagt Anna von Treuenfels, stellvertretende Vorsitzende der FDP-Fraktion in der Hamburgischen Bürgerschaft. Die FDP beantragt deshalb am Mittwoch, die vorgesehenen Stellen zur Präventionsarbeit auf sechs zu erhöhen. Bisher arbeiten drei Mitarbeiter in der Präventionsstelle, aktuell verhandelt die Initiative mit der Justizbehörde nach Informationen der "Welt" lediglich um eine weitere halbe Stelle. Zum Ausbau will sich Rot-Grün bisher nicht festlegen: Im Zuge der Haushaltsberatungen für 2017/18 solle geprüft werden, ob die finanziellen und personellen Ressourcen aufgestockt werden müssen, heißt es.

Durch die Anwerbeversuche (Link: http://www.welt.de/139833805) geraten auch die Flüchtlingsheime immer wieder in den Fokus: Die Polizei schult das Personal in den Unterkünften bisher nicht darin, salafistische Tendenzen bei Flüchtlingen zu erkennen, das ergab eine aktuelle kleine Anfrage der Linksfraktion an den Senat. Die Mitarbeiter von Fördern&Wohnen werden stattdessen in zweitägigen Fortbildungen zu den Themen "Deeskalierendes Verhalten und deeskalierende Kommunikation" sowie "Islam im Arbeitsalltag" geschult, heißt es in der Antwort. Eine Schulung der vielen freiwilligen Helfer existiert bisher nicht, der Senat prüfe aber mögliche Fortbildungsmaßnahmen. Innerhalb der Polizei selbst gibt es weitreichende Fortbildungen zum Thema, unter Federführung des Landeskriminalamts 7 in Hamburg.