Die Presse, 11.11.2015

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Türkei: Armee belagert kurdische Stadt

In Silvan wurde Ausgangssperre verhängt. Mehrere Zivilisten wurden getötet.

Silvan/Wien. Die Lage im Südosten der Türkei bleibt auch nach den Neuwahlen vom 1. November weiterhin angespannt. Seit über einer Woche herrscht in drei Stadtteilen von Silvan nahe der Kurdenhochburg Diyarbakır Ausgangssperre. Medienberichten zufolge haben sich Kämpfer der verbotenen kurdischen PKK in den Häusern verschanzt und liefern sich Straßenschlachten mit der türkischen Armee. Dabei wurden mindestens sechs Zivilisten getötet – erst am Montag starb bei einer Razzia in einer Teestube ein 45-jähriger Taxifahrer unter ungeklärten Umständen. Am selben Abend wurde ein 20-Jähriger tödlich getroffen.

Die Spannungen in Silvan begannen kurz nach den Wahlen. Kurdische Kämpfer haben Barrikaden errichtet, woraufhin die Regierung Panzer auffahren ließ. Bilder aus Silvan, die in sozialen Medien kursieren, zeigen völlig zerschossene Häuser, von einem Kriegszustand ist die Rede. Zwei Mitgliedern der prokurdischen HDP, die an der Beerdigung des 20-Jährigen teilnehmen wollten, wurde der Zugang zur Stadt aus Sicherheitsgründen verwehrt.

Auch haben die betroffenen Stadtteile nur mehr beschränkt Zugang zu Lebensmitteln, Elektrizität und Wasser. Hilfsorganisationen warnen vor einem humanitären Notstand. Eine Ausgangssperre wurde auch in Cizre nahe der syrischen Grenze verhängt, auch hier wollen die bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen Armee und PKK nicht enden. Berichten zufolge hat eine Bombe der PKK das örtliche Krankenhaus getroffen, wobei das eigentliche Ziel, eine Polizeistation, verfehlt wurde.

Seit dem Bombenanschlag im südtürkischen Suruç mit 33 Toten ist der türkisch-kurdische Konflikt wieder aufgeflammt. Das Attentat vom Juli wird der Terrororganisation Islamischer Staat angelastet, wie auch der verheerende Anschlag in Ankara im Oktober mit 102 Opfern. (duö)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.11.2015)