junge Welt, 16.11.2015

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Neue Verfassung für Syrien

Gipfel in Wien endet mit Kompromiss. Französische Delegation in Damaskus

Von Karin Leukefeld

Unter dem Eindruck der Anschläge von Paris haben sich die Außenminister der »Internationalen Unterstützungsgruppe für Syrien« (ISSG) am Samstag in der österreichischen Hauptstadt Wien überraschend schnell auf einen Fahrplan für eine politische Entwicklung in der arabischen Republik verständigt. Es war das zweite Treffen dieser Art innerhalb von zwei Wochen. Neben der UNO und der Europäischen Union nahm zum ersten Mal auch die Arabische Liga teil. Die ISSG ist Teil eines vom UN-Sondervermittler für Syrien, Staffan de Mistura, vorgeschlagenen Wegs, um den Krieg in dem Land zu beenden.

Während bei den ersten Wien-Gesprächen am 31. Oktober die Rolle des syrischen Präsidenten Baschar Al-Assad im Mittelpunkt gestanden hatte, geht aus der Abschlusserklärung des zweiten Treffens hervor, dass ein Weg für das Land jenseits von Personalien gesucht wird. Die am Samstag abend vom Auswärtigen Amt in Berlin verbreitete Resolution hob den »konstruktiven Dialog« hervor, der unter den 17 Diplomaten geführt worden war.

Alle seien sich einig gewesen, dass das Leid der Syrer, die »physische Zerstörung Syriens, die Destabilisierung der Region und der daraus resultierende Zuwachs von Terroristen, die in ­Syrien kämpfen«, ein Ende haben müssen. Die ISSG habe sich auf einige »zentrale Schlüsselfragen« geeinigt. Außerdem hätten die Anwesenden zugesagt, auf Gruppen oder Individuen, auf die sie Einfluss hätten oder die sie unterstützten, einzuwirken, sich entsprechend zu verhalten.

Möglichst bis zum 1. Januar 2016 sollen, unter dem Vorsitz der UNO, die syrische Regierung und Vertreter der Opposition an einen Tisch gebracht werden. Auf der Grundlage von »zentralen Prinzipien«, aufgezählt wurden die »Einheit Syriens, die Unabhängigkeit, die territoriale Integrität und der säkulare Charakter des Staates«, soll eine neue Verfassung ausgearbeitet werden. Diese wäre demnach durch ein von der UNO kontrolliertes Referendum anzunehmen. Neuwahlen von Parlament und Präsident – ebenfalls unter Kontrolle der UNO – sollen innerhalb von 18 Monaten stattfinden. Der Name des syrischen Präsidenten wird in dem Abschlusstext nicht erwähnt.

Am Samstag empfing Assad in Damaskus eine französische Delegation unter Leitung des konservativen Abgeordneten Thierry Mariani. Dabei sprach der syrische Präsident den Hinterbliebenen der Opfer der Anschläge von Paris sein Beileid aus.

Assad betonte, dass die Terroranschläge in Paris nicht von denen getrennt werden könnten, die in Beirut stattfanden. Und auch nicht davon, was in Syrien und anderen Gebieten seit fünf Jahren geschieht. »Eine falsche Politik der westlichen Staaten gegenüber den Geschehnissen in der Region, insbesondere von Frankreich und seine Ignoranz gegenüber der Unterstützung verschiedener Bündnispartner für Terroristen, sind der Grund dafür, dass der Terror sich ausbreitet«, sagte Assad.