junge Welt, 28.11.2015

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Warnsignal aus Moskau

Russland bekräftigt Bereitschaft zu Antiterrorkoalition. Flugabwehrsysteme vom Typ S-400 in Syrien stationiert – Botschaft an westliche Interventen

Von Rainer Rupp

Frankreichs Außenminister Laurent Fabius hat erstmals eine Einbeziehung der syrischen Regierungstruppen in den Kampf gegen den »Islamischen Staat« (IS) ins Gespräch gebracht. Eine Beteiligung syrischer Streitkräfte am Anti-IS-Kampf sei »im Rahmen eines politischen Übergangs« denkbar, sagte Fabius am Freitag in Paris. Der Westen ist nach Einschätzung des Kreml bislang nicht bereit für eine Zusammenarbeit mit Russland in einer gemeinsamen Koalition gegen die Dschihadistenmiliz, sagte der Pressesprecher des Präsidenten, Dmitri Peskow, am Freitag. Russland bleibe jedoch offen für eine Kooperation »in jeglichem Rahmen, zu dem unsere Partner bereit sind«.

Frankreich und Russland hatten indes bereits am Donnerstag abend ihren Willen zur engeren Zusammenarbeit im Kampf gegen den IS bekräftigt. Die Luftangriffe gegen die Islamisten würden »intensiviert« und besser koordiniert, sagte Frankreichs Präsident François Hollande am Donnerstag bei einem Treffen mit seinem russischen Kollegen Wladimir Putin in Moskau.

In der gemeinsamen Pressekonferenz mit Hollande gab Putin als Reaktion auf den am Dienstag erfolgten türkischen Abschuss eines russischen Su-24-Bombers über Syrien erste Gegenmaßnahmen bekannt. Demnach wird eine unbekannte Zahl hochmoderner Flugabwehrsysteme vom Typ S-400 in Syrien stationiert, um sicherzustellen, dass sich ein solcher Vorfall nicht wiederholt. Bereits am Freitag veröffentlichte das Verteidigungsministerium Bilder von mindestens zwei S-400-Batterien auf der von Russland betriebenen Luftwaffenbasis Hmeimim nahe Latakia in Syrien.

Die S-400 nötigt nicht nur der ­NATO-Luftwaffe, sondern auch der israelischen höchsten Respekt ab. Das System hat eine Reichweite von bis zu 400 Kilometer und kann sowohl gegen ballistische Raketen, tieffliegende Marschflugkörper und in extremen Höhen fliegende Bomber simultan eingesetzt werden sowie vollautomatisch Dutzende von Zielen gleichzeitig bekämpfen. Die US-»Patriot«-Batterien sind im Vergleich dazu altmodische Kästen. Washington und Jerusalem hatten vor einigen Jahren in Moskau Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt, um zu verhindern, dass Russland das Vorläufersystem S-300 an den Iran liefert. Zu Recht gilt jetzt die Stationierung der S-400 in Syrien als »Game changer«, als Ereignis, das die Lage fundamental zugunsten der russischen Streitkräfte in Syrien verändert. Zugleich steht inzwischen der Raketenkreuzer »Moskwa« vor der syrischen Küste auf Wacht, der mit ähnlichen Flugabwehrsystemen den Luftraum über Syrien und darüber hinaus schützen kann.

In seinem Statement ließ Putin keinen Zweifel daran, dass jedes Kampfflugzeug, das einen russischen Jet über syrischem Territorium angreift, sofort abgeschossen werde. Damit sandte er eine deutliche Botschaft an die Türkei und alle anderen Länder der Anti-Assad-Koalition, die derzeit unkoordiniert und in eindeutig völkerrechtswidrigen Operationen mit Kampfflugzeugen syrisches Territorium bombardieren. Oder sich – wie die Bundesrepublik – an diesem Völkerrechtsbruch noch beteiligen wollen.

Derweil hat der US-Botschafter in Moskau den Kreml gewarnt, dafür Sorge zu tragen, dass keine Flugzeuge der US-geführten »Anti-IS-Koalition«, zu der auch türkische Maschinen gehören, über Syrien angegriffen werden. Offensichtlich wird die Gefahr eines größeren bewaffneten Zusammenstoßes zwischen den in Syrien engagierten Mächten immer größer.(mit Material von AFP)