Neue Zürcher Zeitng, 10.12.2015

http://www.nzz.ch/international/naher-osten-und-nordafrika/riad-will-syriens-opposition-einen-1.18660429

Drohgebärde an Teheran

Riad will Syriens Opposition einen

Ein breites Spektrum syrischer Regimegegner soll sich in Riad auf gemeinsame Ziele festlegen. Saudiarabien will Iran in Syrien nicht das Feld überlassen.

von Monika Bolliger, Kairo

Die Uneinigkeit der syrischen Opposition ist beinahe sprichwörtlich. Ein oft gehörter Vorwurf ist zudem, dass die Opposition im Exil zu weit entfernt von den Regimegegnern im Land sei und nicht für diese sprechen könne. Nun findet in der saudischen Hauptstadt Riad eine Konferenz statt, zu der ein breites Spektrum von Regimegegnern geladen ist. Und die oppositionellen Kräfte, welche in Syrien eine wichtige Rolle spielen, sind prominent vertreten. Zweifel an bedeutenden Fortschritten sind aber weiterhin angebracht, wie sich bei näherem Hinsehen zeigt.

Vertreter der Rebellen

Unter den Gästen sind vierzig Vertreter der international anerkannten Exilopposition, deren Chef Khaled Khoja mitgerechnet. Relevanter dürften aber die Vertreter von fünfzehn bewaffneten Gruppen sein, die Riad eingeladen hat, sowie Angehörige der zivilen Opposition in Syrien. Stark vertreten sind jene Rebellengruppen, die unter dem Label der Freien Syrischen Armee zusammengefasst werden. So ist die Südliche Front mit von der Partie, ein Bündnis moderater Gruppen im Süden Syriens, das eng mit einer Kommandozentrale in Jordanien kooperiert, in der die CIA involviert ist.

Wer ist radikal?

Umstrittener ist die Teilnahme von Gruppen mit einer radikalen religiösen Rhetorik, primär das von Saudiarabien unterstützte Jaish al-Islam, das die Ghouta-Ebene vor Damaskus dominiert, und mehr noch die im Norden Syriens starken Ahrar al-Sham. Letztere werden von der Türkei und Katar stark unterstützt. Ihre Teilnahme hat Protest bei sogenannten moderaten Oppositionellen ausgelöst, die an einen Kompromiss mit dem Regime glauben und von Damaskus teilweise toleriert werden. Jaish al-Islam und die Ahrar haben jedoch viel Einfluss vor Ort und verfolgen zumindest eine syrische Agenda, im Gegensatz zum Kaida-Ableger Nusra und zum IS, den sie in der Vergangenheit erfolgreich bekämpft haben.

Die Terrororganisationen Nusra und der IS sind in Riad nicht vertreten und haben laut dem Communiqué der Wien-Gespräche vom November auch keinen Platz in Verhandlungen. Das Communiqué hatte «weitere Gruppen» erwähnt, die als Terrororganisationen einzustufen und von Verhandlungen auszuschliessen seien. Moskau und Teheran, die das Regime Asad stützen, lobbyieren offenbar für einen Ausschluss der Ahrar und des Jaish al-Islam mit der Begründung, sie seien zu radikal. Die Frage, wer auf der Seite des syrischen Regimes radikal ist, stellen sie freilich nicht, obwohl diese mit Blick auf die Kriegsverbrechen der irregulären Milizen Asads oder die jihadistische Rhetorik von Irans schiitischen Kämpfern durchaus angebracht wäre.

Den Saudi geht es nun darum, die Position der Regimegegner bei den Verhandlungen in Wien zu stärken und ihrem Erzfeind Teheran nicht das Feld zu überlassen. In Riad beobachtet man mit Entsetzen, wie Iran durch seine militärische Präsenz in Syrien je länger, je direkter involviert ist. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Konferenz von Riad eine geeinte Front von Oppositionellen hervorbringt, ist jedoch gering. Gräben taten sich nicht nur mit der von Damaskus tolerierten «moderaten» Opposition auf. Kurdische Vertreter waren vorerst nicht nach Riad eingeladen, weil ihre Ziele und die der arabischen Opposition auseinanderklaffen. Sie beriefen parallel zu Riad eine eigene Konferenz in Malikiya im Nordosten Syriens ein.

Riad gegen Teheran

Die Konferenz von Riad ist als Drohgebärde zu verstehen, dass man die Regimegegner weiter bewaffnen wird, wenn ihre Forderungen ignoriert werden. Die Saudi sind dabei keineswegs neutrale Vermittler innerhalb der syrischen Opposition, sondern versuchen ihre Favoriten zu stärken. Die Interessen ausländischer Akteure verkomplizieren den syrischen Konflikt schon lange, und ihre Rolle wird nicht von syrischen Regimeanhängern wie von Oppositionellen als problematisch wahrgenommen. Ein Mitglied der zivilen Opposition aus einem Rebellengebiet beispielsweise lehnte die Einladung nach Riad ab und fragte: «Was gibt es schon für Freiheit von Saudiarabien, wo nicht mal die Frauen Auto fahren dürfen?»