junge Welt, 14.12.2015

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»Bundesregierung gibt ein Signal an die Türkei«

Kampagne gegen Verbot der PKK in Deutschland. Acht kurdische politische Gefangene in hiesigen Gefängnissen. Gespräch mit Martin Dolzer

Interview: Gitta Düperthal

Martin Dolzer ist justiz- und europapolitischer Sprecher der Fraktion Die Linke in der Hamburgischen Bürgerschaft pkk-verbot-aufheben.blackblogs.org

Weshalb setzen sich Menschen im Rahmen einer von der Partei Die Linke und anderen Organisationen und Initiativen gestarteten Kampagne »PKK? Na klar!« mit ihrem Foto öffentlich dafür ein, das Verbot der kurdischen Arbeiterpartei in Deutschland aufzuheben?

Seit 1993 gilt in Deutschland das Betätigungsverbot für die PKK, seit 2002 steht sie auf den Terrorlisten der Europäischen Union und der USA. Seither werden Kurdinnen und Kurden systematisch kriminalisiert. Unsere Kampagne ist darauf gerichtet, nun endlich umzudenken. Die PKK ist die Kraft, die im Mittleren Osten für ein multiethnisches und -religiöses Zusammenleben eintritt. In der Türkei wirkt sie für Demokratie und Frieden und die Gleichberechtigung der Frau. Dies bestätigen selbst Strategiepapiere der Stiftung Wissenschaft und Politik, SWP, die die Bundesregierung zur Außen- und Sicherheitspolitik berät. Die kurdische Bewegung steht aber auch für Basisdemokratie, Selbstbestimmung und Souveränität in der Region – gegen willfährige Marionetten von kolonialen Mächten. Deshalb hält es die CDU/CSU-SPD-Bundesregierung in Bündnistreue lieber mit der Türkei.

Aktuell befinden sich acht Kurden in der BRD als politische Gefangene in Haft, die sich für die Menschenrechte und eine friedliche Lösung der kurdischen Frage engagieren. Wem ist daran gelegen, mit Festnahmen ein Zeichen zu setzen?

Dahinter steht die Bundesregierung – weshalb ich den Paragraphen 129 b des Strafgesetzbuchs (Kriminelle und terroristische Vereinigungen im Ausland, jW) für verfassungswidrig halte, ebenso wie viele juristische Experten, Anwältinnen und Anwälte. Das Justizministerium gibt nämlich dieser Regelung zufolge eine Ermächtigung, damit Menschen in der Bundesrepublik überhaupt verfolgt werden können, obgleich sie hierzulande nichts verbrochen haben. Ihnen wird vermeintlicher Terrorismus in der Türkei angelastet. Selbst das Oberlandesgericht Hamburg hatte in seinen Urteilen gegen einen PKK-Kader bestätigt: In der Türkei werden Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen staatlich organisiert durchgeführt.

Wie weitreichend sind die Folgen des Verbots?

Die Bundesregierung gibt so ein klares Signal an die Türkei. Vor oder nach Staatsbesuchen werden deshalb hier vermeintliche PKK-Kader inhaftiert. Das Aufrechterhalten des Verbots besagt: Es ist uns egal, was ihr mit den kurdischen Menschen dort macht. Wohl wissend, dass die Regierung von Recep Tayyip Erdogan und Ahmet Davutoglu dafür verantwortlich ist, dass in den vergangenen Monaten türkische Polizisten und Militärs fast täglich Zivilisten erschossen haben und ganze Städte in kurdischen Provinzen durch militärische Belagerung im Ausnahmezustand sind.

Selbst in Fernsehtalkshows und bürgerlichen Zeitungen wurde wiederholt gefragt: Weshalb hält die Bundesregierung das Verbot der PKK aufrecht, obgleich deren Kämpfer als einzige 2014 die Terrormiliz IS bekämpft und die Jesiden gegen diese im Sindschar-Gebirge verteidigt haben?

In der Tat, die PKK hat danach sogar auch mit weiteren kurdischen und jesidischen Einheiten die Region Shengal befreit. Die AKP in der Türkei ist jedoch für die USA und Europa ein guter Bündnispartner, weil sie für neoliberale Wirtschaftspolitik steht. Deshalb ist es der Bundesregierung egal, ob Menschenrechtsverletzungen dort in aller Schärfe offen kritisiert werden – selbst dass die Türkei den IS die Grenzen passieren lässt, Waffen an ihn liefert und Öl von ihm kauft. Sie will die militärische Zusammenarbeit mit ihr aus geostrategischen Gründen nicht beenden.

Gibt es in den etablierten Parteien keinen Widerspruch?

Doch, quer durch die Fraktionen: Volker Kauder, Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, hat aufgefordert, das Verbot zu überdenken – ebenso einzelne Politiker der SPD und der Grünen. Doch die Bundesregierung betreibt weiter unverantwortlich die Eskalation des Krieges in Syrien. Sie überweist der Türkei drei Milliarden Euro für das Aufhalten von Flüchtlingen; was zynisch ist. Denn Ankara plant unter anderem, diese in Lagern in einem vom IS kontrollierten Gebiet anzusiedeln.